BLIND GUARDIAN – the god machine

Schon einige Monate vor dem Release des neuen Albums der Krefelder Fantasy Metal Institution Blind Guardian wurde fleißig spekuliert und gespoilert. Eine Rückbesinnung zu alten Glanztaten wurde angekündigt – Blind Guardian sollten wieder schneller und gradliniger zu Werke gehen als in der letzten Zeit. Erste Single-Auskopplungen im Vorfeld machten einen sehr guten Eindruck und schraubten die Hoffnungen der Fans in die Höhe. Und jawoll – sie werden nicht enttäuscht!

Der geile Opener „Deliver Us From Evil“, der als erste Single mittlerweile den meisten wohl bekannt ist, lässt jedes Fan-Herz höher schlagen und überzeugt sowohl durch viel Power und Speed, als auch durch jede Menge toller Melodien, mitreißende teils mehrstimmige Gesangslinien und den für die Barden charakteristischen Facettenreichtum. Das folgende „Damnation“ schlägt in dieselbe Kerbe, ist unterlegt von rasanter Doublebass und lässt ebenfalls keine Wünsche offen. „Secrets Of The American Gods“, auch schon länger bekannt, baut in einem ca. halbminütigen Mini-Intro spannende Atmosphäre auf und entpuppt sich dann als folkig angehauchte Gänsehaut-Nummer mit mehrstimmigen Chören, die im Gegensatz zu den beiden Vorgängern zwar langsamer, aber genau so intensiv daherkommt. Dieses Einstiegs-Triple ist wirklich ganz großes Kino! „Violent Shadows“ ist wieder deutlich flotter und sehr rifflastig. Bei „Life Beyond The Spheres“ wird das Tempo abermals gedrosselt. Der Song ist das melancholischste Stück der Scheibe, und für Blind Guardian-Verhältnisse relativ düster. Dennoch fehlt natürlich auch hier die bandtypische Verspieltheit nicht. „Architects Of Doom“ beginnt ebenfalls verhalten, schlägt nach einer knappen Minute aber in eine von Dramatik geprägte und sehr abwechslungsreiche Nummer mit hypnotischem Refrain um. Eine Disziplin, die die Krefelder schon immer beherrschen, sind Balladen. Mit dem traurig-schönen „Let It Be No More“ beweisen sie das auch anno 2022, auch wenn dieser Song nicht an die ganz großen Vorgänger heranreicht und beim äußerst eingängigen Refrain die Grenze zum Kitsch nur knapp verfehlt. Nach dieser Atempause geht mit „Blood Of The Elves“ noch mal richtig die Post ab! Der Song ist eine Speed-Granate im Stil von „Born In A Mourning Hall“ oder „Welcome To Dying“ und überzeugt durch pfeilschnelles Riffing, mitreißende Gesangslinien und einen genialen mehrstimmigen Refrain. Hammersong! „Destiny“ schließt die Scheibe ab, ist verschachtelt und schon fast ein wenig progressiv. Auch hier zeigen alle Musiker, dass sie weit über dem normalen Durchschnitt agieren, mir persönlich gefällt dieser Song aber am wenigsten. Das ist aber Geschmacksache und im schlimmsten Fall Jammern auf hohem Niveau.

Alles in allem werden die hohen Erwartungen absolut erfüllt, und Blind Guardian machen wieder das, was sie am besten können: Epischen, facettenreichen, oft schnellen Fantasy-Teutonen-Metal, gekrönt von einem perfekt singenden Hansi Kürsch, der in allen Stimmlagen mehr als überzeugt. Die Songs sind fast alle mit sehr geilen und eingängigen Refrains ausgestattet, und auch die mehrstimmigen Passagen treffen voll ins Schwarze. Vieles hat echte Ohrwurmqualität und bleibt bereits beim ersten Durchgang hängen. Da die Krefelder aber trotz der wiederentdeckten Eingängigkeit dennoch sehr verspielt und variabel sind, kommt auch nach vielfachem Hören keine Langeweile auf (hab ich ausprobiert). Der Sound ist ebenfalls nicht zu beanstanden, und das potthässliche Cover-Artwork (absoluter Negativ-Rekord der Bandgeschichte, sieht farblich aus wie verstaubtes Vanille-Eis mit Himbeersoße) stört mich dann auch nicht mehr. „The God Machine“ ist das beste Blind Guardian -Album seit über 20 Jahren!

Wertung: 9/10
Autor: Felix Schallenkamp