METALLICA – 72 seasons

Sieben Jahre nach ihrem letzten Album melden sich Metallica zurück. Und natürlich wirbelt die Ankündigung eines neuen Metallica-Albums immer noch deutlich mehr Staub auf als es bei den allermeisten anderen Bands der Fall ist. Das liegt zum Einen an der Tatsache, dass sie kommerziell gesehen die größte Metal-Band aller Zeiten sind, zum Anderen aber auch daran, dass sie auch bei vielen gestandenen Metalheads für immer einen Stein im Brett haben, weil sie in den goldenen 80ern einfach nur übermächtig waren. Ich selbst vergöttere die ersten vier Alben und zähle sie zu den besten Veröffentlichungen der gesamten Musikgeschichte. Wir alle wissen auch, dass Metallica nie wieder die Qualität ihrer frühen Großtaten erreicht haben oder erreichen werden (wie viele andere Helden der 80er, u.a. Maiden oder Slayer). Trotzdem werfe ich ihnen zu keiner Zeit irgendeinen bewussten Hype oder ähnliches vor. Manches lässt sich nun mal eben nicht wiederholen.

Kommen wir jetzt aber zum neuen Album. Ich war wie immer verhalten neugierig auf das was da kommt, hab aber im Grunde keine Hoffnungen auf irgendeine sonderliche Überraschung gehabt. Über die gängigen Streaming-Dienste wurden im Vorfeld bereits ein paar Songs vor dem Release veröffentlicht, und die erste Single „Lux Aeterna“ hat meine bis zu diesem Zeitpunkt eher gemäßigte Erwartungshaltung dann doch mit einer guten Portion Spannung und Optimismus belebt. Der Song ist für mich grob erklärt wie ein Brückenschlag vom „No Live til’ Leather“ Demo zum schwarzen Album, ist energiegeladen und punktet durch seine mehr als deutlichen NWOBHM-Einflüsse. Später wurden noch drei weitere Songs im Vorfeld veröffentlicht, die aber nicht an diesen Song herankommen.

Jetzt liegt das gesamte Album vor. Der Opener ist direkt der Titelsong, der mit der Power startet, die man sich erhofft hat. Die Produktion des Albums ist vielleicht die beste seit dem schwarzen Album, und James ist auffällig gut bei Stimme. Nach einer recht schnellen Passage wechselt das Stück in einen eingängigen Groove, bevor James’ Gesang einsetzt. Zum Refrain wird dann wieder Gas gegeben. Der Song wechselt im weiteren Verlauf immer wieder zwischen den schnellen und den groovigen Passagen und offenbart nach und nach die größte Schwäche von „72 Seasons“. Trotz des gelungenen Soloparts am Ende wirkt alles zu wiederholend. Das Songwriting hätte hier gerne spannender ausfallen dürfen. „Shadows Follow“ hat leider keine Tempowechsel mehr und bleibt konsequent im groovigen Midtempo-Bereich. Die Riffs sind cool, aber auch hier fehlt es wieder an zündenden Ideen. „Screaming Suicide“ war die zweite Single, überzeugt durch den sehr variablen Gesang, und ist wieder etwas stärker als der Vorgänger. Danach kommen mit „Sleepwalk My Life Away“ und „You Must Burn“ zwei echte Durchhänger. Wieder nur Midtempo, kein vernünftiges Songwriting und müde Refrains. „Lux Aeterna“ rüttelt dann wieder alle wach und ist der mit Abstand beste Song von „72 Seasons“. Den Song werde ich auch weiterhin gerne auflegen. Hätten Metallica es geschafft, ein ganzes Album in dieser Qualität zu machen, hätte ich echt Freudensprünge gemacht. Haben sie aber nicht. Nach dieser geilen Nummer folgen mit „Crown Of Barbed Wire“, „Chasing Light“ und dem unfassbar monotonen „If Darkness Had A Son“ wieder drei echte Langweiler. „Too Far Gone?“ ist wieder ein Stück lebhafter, aber auch sehr unspannend. Bei „Room Of Mirrors“ nimmt das Album dann doch noch einmal zumindest etwas Tempo auf. In der Schlussphase gibt es coole Gitarrensoli. So richtig umhauen tut mich der Song aber auch nicht. Fast alle Songs haben zudem gemeinsam, dass die Refrains echt ziemlich daneben gehen und total nerven. Das Finale „Inamorata“ beginnt zwar interessant mit einem Black Sabbath-lastigen Doom-Riff, verfällt nach einer Minute aber wieder in die schon ausreichend gehörte, gleichmäßig groovende Belanglosigkeit, die jetzt zu allem Überfluss auch noch auf über elf Minuten Spielzeit ausgewalzt wird.

Somit fällt mein Gesamt-Fazit zu „72 Seasons“ leider nicht wirklich gut aus. Es gibt einfach viel zu wenige Akzente, und das Album hört sich fast immer gleich an. Die meisten Riffs sind ja nicht schlecht, und als Hintergrundbeschallung kann man die Scheibe gut laufen lassen. Aber ein intensives Hören am Stück ist kaum zu schaffen ohne einzuschlafen.

Wertung: 6/10
Autor: Felix Schallenkamp