NOCTURNUS AD – paradox

Um dieses Album zu rezensieren, sollte man erst mal mit einem Rückblick beginnen: Wir schreiben das Jahr 1990. Der Death Metal erlebt einen absoluten Boom und bringt massenhaft hochkarätige Bands hervor, von denen viele heute noch aktiv und mittlerweile alte Helden sind. Eine davon waren Nocturnus aus Florida, eine Combo um den singenden Drummer und ehemaligen Morbid Angel Sänger Mike Browning (der dann von David Vincent abgelöst wurde) mit ihrem Debüt „The Key“. Dieses Album war und ist definitiv eines der außergewöhnlichsten, die das Genre jemals hervorgebracht hat, und ist bis heute völlig einzigartig und mit keinem anderen zu vergleichen. Während Keyboards ja eher verpönt waren und höchstens mal für Intros oder kurze atmosphärische Einsprengsel genutzt wurden, waren sie bei Nocturnus das dominante Stilmittel – ohne dabei Einbußen bei den klassischen Instrumenten zu machen. „The Key“ hatte dadurch eine ganz eigene „spacige“ Atmosphäre, die mich heute noch in ihren Bann zieht. Diesem Geniestreich folgte 1992 ein weiteres, ebenfalls sehr gutes Album („Thresholds“), das dem Debüt allerdings nicht mehr ganz das Wasser reichen konnte. Danach kamen mit teilweise sehr langen Pausen unter den Namen Nocturnus, After Death und Nocturnus AD erst mal nur noch relative Belanglosigkeiten.

Jetzt, stolze 29 Jahre später, kehrt Mastermind und Gründungsmitglied Mike Browning mit neuer Gefolgschaft unter dem Banner Nocturnus AD mit dem Album „Paradox“ wieder zurück. Zu sagen, die Scheibe hätte Parallelen zu „The Key“, wäre maßlos untertrieben. Alleine das geile Cover ist fast identisch und zeigt fast dasselbe Motiv. Auch musikalisch ist wieder alles wie vor 29 Jahren. Erwartungsgemäß ist die Qualität natürlich nicht ganz so intergalaktisch wie auf „The Key“. Die Keyboards sind anno 2019 etwas mehr im Hintergrund, und auch die Songs an sich kommen nicht ganz an Göttergaben wie „Neolithic“ oder „Lake Of Fire“ heran. Zu meckern gibt es aber absolut nichts. Der technische und leicht progressive Florida-Death Metal, der hier geboten wird, transportiert tatsächlich die gleiche abgefahrene Weltraum-Atmosphäre wie damals. Sehr cool sind auch die vielen textlichen Zitate und Querverweise zu „The Key“. Schöne Beispiele sind die Songtitel „The Return Of The Lost Key“ und „Paleotithic“. Einzelne Songs hervorzuheben fällt mir schwer, da das Album aus einem Guss kommt und eher ein Gesamtwerk darstellt.

Fans der ersten Stunde werden das Teil mit Sicherheit abfeiern. Ich selbst hätte nie damit gerechnet, doch noch ein Album zu hören, das an eine meiner absoluten Lieblingsscheiben anknüpft. Wer die Band noch nie gehört hat, mal was anderes braucht, und Idealerweise ein Faible für Sci-Fi-Sounds und Death Metal hat, sollte hier zudem dringend ein Ohr riskieren (natürlich auch bei „The Key“!) „Futuristisch“ und „Old School“ lagen noch nie so dicht beieinander! Schön, dass man so was noch erleben darf!

Wertung: 9/10
Autor: Felix Schallenkamp