OVERKILL – the wings of war

Wenn eine renommierte Band, die schon viele Alben veröffentlicht hat, einen neuen Longplayer an den Start bringt, dann ist der natürlich immer das Beste, den man je gemacht hat. Neue Bandmitglieder sind eine Bereicherung und gerade, wenn man schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, lässt man gerne verlauten, dass man mit dem neuen Album ‚Back to the Roots‘ gegangen ist.

Und von daher wundert es natürlich nicht, wenn Bobby “Blitz” Ellsworth den neuen Schlagzeuger Jason Bittner über alle Maßen lobt und ihn als große Bereicherung gerade auch bei der Entstehung von “The Wings Of War” bezeichnet. Was die Presseinformationen vorab für mich aber interessant machte, war die Tatsache, dass Bobby von einer Weiterentwicklung von Overkill spricht, anstatt von ‚Back to the Roots‘. Von mehr Power und von mehr Platz für Melodien. Das hat mich neugierig gemacht und ich war sehr gespannt, als ich die neue Scheibe zum ersten Mal auflegte.

Bei den ersten Tönen des Openers “Last Man Standing” fragte ich mich erstmal, ob ich eventuell die falschen Files bekommen hatte. Einen Synthie und fast schon Industrial-Töne hatte ich beim Intro zu einem neuen Overkill-Album nun wirklich nicht erwartet. Als die Gitarren einsetzen und Bobby’s Gesang, war ich wieder beruhigt. Und doch erstaunt. “Last Man Standing” ist abwechslungsreich, originell und hat trotzdem die typische Overkill-Power. Und das gilt für das ganze Album, was nicht zuletzt auch an einer der für mich besten und druckvollsten Gesangsstimmen im ganzen Metal-Business liegt. Bobby “Blitz” Ellsworth ist für mich Metal wie aus dem Bilderbuch. Der Mann hat mir immer schon Spaß gemacht. Aggressiv und schneidend, ohne wie manch anderer Sänger fast schon lächerlich zu klingen.

Gesanglich also auf jeden Fall schon mal nicht weniger Power bei Overkill, soviel steht fest. Bobby klingt genauso frisch wie eh und je. Spätestens beim zweiten Titel “Believe In The Fight” zeigen aber auch die Leute an den Saiten, dass “The Wings Of War” kein Industrial-Album ist, sondern ein echtes Overkill-Album. Die Gitarren klingen immer noch frisch, thrashig und nicht überproduziert oder geglättet. Overkill hatten im Gegensatz zu anderen Thrashmetal-Bands schon immer mehr Einflüsse anderer Stilrichtungen in ihrer Musik, aber bei “The Wings Of War” wird das meiner Meinung nach nochmal um einiges deutlicher. Der von Bobby angekündigte, zusätzliche Platz für Melodien ist keine leere Floskel. “The Wings Of War” klingt an vielen Stellen sehr eingängig und geradezu melodiös, ohne in den Kommerz abzugleiten oder seine druckvolle Power zu verlieren (“Head Of A Pin”, “Bat Shit Crazy”). Das Album macht, Titel für Titel, großen Spaß. Ich freue mich jetzt schon darauf, die neuen Songs auf der kommenden Tour live zu erleben.

Wem Thrashmetal im Allgemeinen manchmal zu eintönig klingen mag (soll’s ja geben), der sollte sich mal Overkill und ganz speziell das neue Album geben. Hier gibt es die typischen, rasend schnellen Thrashmetal-Elemente, gepaart mit klassischem Heavy Metal und jeder Menge anderer Einflüsse. Das Album ist insgesamt nicht so schnell wie andere Overkill-Scheiben, ohne aber in das düstere, an vielen Stellen schon an Black Sabbath erinnernde “I Hear Black”-Feeling abzudriften. Und das liegt auch an der Kreativität hinsichtlich des Songwritings. Klasse, wenn sich eine Band nach so vielen Jahren noch immer neu erfinden kann, ohne kommerziell oder nicht mehr wie sie selbst zu klingen.
“Es macht immer noch einen Riesenspaß, ein neues Overkill-Album einzuspielen” sagt Bobby. Und das merkt man “The Wings Of War” deutlich an. Das Album ist abwechslungsreich, überraschend und doch sehr druckvoll. Die Songs sind echte Songs mit Wiedererkennungswert. Das ist Metal, wie ich ihn mir wünsche. Man muss natürlich vorsichtig sein im Januar, aber für mich ist “The Wings Of War” schon jetzt ein ganz heißer Anwärter auf mein Album des Jahres. Für mich eines der besten, die sie jemals gemacht haben. Ohne Übertreibung. Vorsichtige 9 von 10 Punkten! Absolute Kaufempfehlung.

Line-up:
Bobby „Blitz“ Ellsworth – Vocals
D.D. Verni – Bass
Dave Linsk – Lead Guitar
Derek Tailer – Rhythm Guitar
Jason Bittner – Drums

Tracklist:
01   Last Man Standing – 5:49
02   Believe In The Fight – 5:03
03   Head Of A Pin – 5:56
04   Bat Shit Crazy – 4:33
05   Distortion – 6:09
06   A Mother’s Prayer – 3:58
07   Welcome To The Garden S7tate – 4:42
08   Where Few Dare To Walk – 5:25
09   Out On The Road-Kill – 4:41
10   Hole In My Soul – 4:47

Wertung: 9/10
Autor: Wolfgang Haupt