RAVEN, AIR RAID, SPLIT HEAVEN, STEEL CRUSHER

Hamburg, Bambi Galore, 22.06.2019


Mein Weg führt nach Wochen der Abstinenz heute endlich mal wieder in den Südosten Hamburgs, nach Billstedt, genauer gesagt in unser zweites Wohnzimmer – das Bambi Galore. Das Sommerwetter heizt meine Vorfreude auf den heutigen Abend weiter an. Pünktlich zum Einlass betrete ich den Parkplatz des Kulturpalastes, auf dem noch die letzten Pavillone des heutigen Sommerfestes stehen. Kurzehosenträger Olaf, der heute die Aufgabe des Grillmeisters hat, ist einer der ersten Bekannten. Mit einem leckeren Grillwürstchen als Stärkung mache ich meine Begrüßungsrunde und die ein oder andere Festivalgeschichte der letzten Wochen wird zum Besten gegeben. Nach soviel Erzählen bin ich nun aber durstig und erklimme den noch recht kühlen Kellerraum des Bambis. Auch hier sind schon einige Bekannte und Freunde zugegen, aber ich wäre ja nicht ich selber, wenn ich nicht erst einmal die dargebotenen Merchangebote in Augenschein nehmen würde und in kürzester Zeit ist die eigene Shirtsammlung um drei Neuzugänge reicher. Läuft!


Mit einem kühlen Bier in der Hand wende ich mich der Bühne zu, auf der schon fünf Minuten vor dem offiziellen Beginn die Husumer Steel Crusher zum Tanz bitten. Ihr letzter Auftritt hat mich nicht sonderlich gefesselt, aber dieses Mal ist alles anders und die fünf geben von an Beginn an gut Gas und zelebrieren kraftvollen Heavy Rock Metal. Leider verfolgen nur wenige Songs wie “Metal Possessed”, “Knights Of The Night”, “Hard Rock Legend” oder den Bandtitel “Steel Crusher”. Ein Fehler wie sich schon nach kurzem herausstellt, denn die Jungs waren wirklich fleißig und haben ihre Hausaufgaben gemacht. Vorneweg Fronter Daniel, der sympathisch das Publikum zum Mitmachen animiert und gesangstechnisch eine super Leistung abliefert. Auch eine Premiere kann der Opener verzeichnen in Form von “From Heaven To Hell”, der heute zum ersten Mal live dargeboten wird. Steel Crusher sind heiß auf diesen Abend und zocken sich routiniert durch ihren fünfunddreißigminütiges Set. Cooler Auftritt der Norddeutschen, der mich dieses Mal auf ganzer Linie überzeugt hat.


Während einer verdienten Pause vor der Tür bei angenehmem Sommerwetter, geht das Erscheinen von Freunden und Bekannten weiter. Mehr als ein kurzer Plausch bleibt aber nicht, denn als nächstes stehen die Mexikaner Split Heaven auf der Bühne. Alte Bekannte, waren die Jungs doch zuletzt vor zwei Jahren zusammen mit Wretch in Billstedt und haben mal eben alles abgerissen. Ähnlich wild und ungezügelt beginnt der Fünfer auch den heutigen Siegeszug. Die Mittelamerikaner haben einfach Feuer und mähen sich erbarmungslos durch ihre Songs wie “Battle Axe”, “Psycho Samurai” und “Talking With The Devil”. Bei “The Devil Isn’t Fool” zeigt Gesangstalent Jason noch wie ein Propeller geht. Dieser Auftritt ist der letzte auf ihrer diesjährigen Europatour. Allerdings merkt man ihre Reisestrapazen zu keiner Zeit, denn Split Heaven bringen soviel Energie und Power rüber, dass sich das Bambi merklich aufheizt. Unglaublich, mit was für einer Spielfreude das Quintett hier zu Werke geht. Auch Songs wie “Sacrifice”, dem spanischsprachigen “Descarga Letal” und “Speed Of The Hawk” überzeugen auf ganzer Linie und viele vor der Bühne feiern die Jungs gebührend. Dieser Auftritt verdient den Titel ‘Absolut sehenswert’. Vielen Dank, Split Heaven, und bis hoffentlich bald wieder.


Vor der Tür wird es langsam kühl und so steige ich frühzeitig die Treppen ins Bambi hinunter. Air Raid aus Götheborg haben nach der spanischen Energie ein hartes Stück Arbeit vor sich. Aber schon mit “Aiming For The Sky vom aktuellen Album “Across The Line” zeigen die Skandinavier eindrucksvoll, dass sie mindestens ebenbürtig und ebenfalls in der Lage sind, die Menge in Wallung zu bringen. Tieftonbediener Robin macht wohl sein heutiges Workout nur auf der Bühne. Der Junge bewegt sich mehr, als der Rest der Band zusammen und die sind schon echt aktiv. Fronter Fredrik hat die Menge zu jeder Sekunde voll im Griff und die Setlist hat mit “Hell And Back”, “Entering The Zone Zero” und “Night Of The Axe” einiges zu bieten. Auch die Schweden sind alte Bekannte im Bambi und waren ebenfalls vor zwei Jahren das letzte Mal hier. Damals war von dem heute zum Besten gegebenen “Demons Eyes” von der aktuellen Single noch nichts zu hören. Heute punkten die Fünf damit mächtig. Natürlich darf auch der Übersong “Midnight Burner” nicht fehlen und der Saal singt inbrünstig mit. Energiegeladen und mit eigener Nebelmaschine schlagen Air Raid noch mit “Black Dawn” und “Hold The Flame” zu und verwandeln den ehemaligen Wasserspeicher in eine Sauna. Wow, die Jungs sind echt der Hammer und haben ihre dreiviertel Stunde zu einem Fest für die Ohren gemacht.


Genau eine halbe Stunde nachdem die Nordmänner die Bühne verlassen haben, ist es an der Zeit für den heutigen Headliner. Das ist kein geringerer, als die britische NWoBHM Legende Raven, um die beiden durchgeknallten Gallagher Brüder. Inzwischen ist es kurz vor Mitternacht, aber das Publikum hat noch genügend Kraftreserven, um das Trio von der Insel gebührend zu empfangen. Mit “Take Control” setzt sich der inzwischen seit fünfundvierzig Jahren aktive Metal Dinosaurier in Bewegung und zeigt schnell, warum er bis heute erfolgreich ist. Besonders Saitenquäler Mark ist so voller Power und macht wie gewohnt Grimassen am laufenden Band. Sein Bruder punktet mit lustigen Ansagen und bindet stets das Publikum dabei mit ein. Absolut sympathisch diese beiden und mit Songs wie “Hell Patrol”, “All For One” und “Hang, Drawn & Quartered” haben sie natürlich aus ihrem reichhaltigen Repertoire unzählige Hammersongs im Gepäck. Aber Raven wären nicht Raven, wenn sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen würden und so gibt es mit “The Top Of The Mountain” einen kleinen Vorgeschmack auf das am Ende des Jahres erscheinenden neue Album. Typische, treibende NwoBHM Nummer, die wohl alle Anwesenden mächtig neugierig auf das Kommende macht. Auch bei dem Klassiker “Rock Until You Drop” hat John keine Mühe, die Menge zum Mitmachen zu animieren. Nun darf Mark mal alleine zeigen, was eine Harke ist und zelebriert ein Gitarrensolo, bei dem er viele staunende Gesichter zurück lässt. Dann geht es aber mit “Faster Than The Speed Of Light”, “Tank Treads”, “Firepower” und “Mind Over Metal” wieder mächtig zur Sache und das Bambi hat sich längst in einen Hexenkessel verwandelt. Zwischen den Songs ertönen immer wieder Raven Rufe. Schon beindruckend zu sehen, wie diese alten Herren hier nach allen Regeln der Kunst einen erstklassigen Abriss hinlegen. Nach dem Kracher “On And On, der natürlich wieder vom Publikum begleitet wird, darf dann auch John zeigen, was man auf vier Saiten alles zaubern kann. Mit “Break The Chain”, “Rock Bottom” und dem letzten Kracher für heute, “Wiped Out” zocken sich Raven durch ihre Zugabe und verlangen von dem zahlreichen Publikum noch einmal alles ab, bevor dann nach neunzig Minuten der Schlussakkord erklingt. Diese Band ist einfach eine Liga für sich und immer wieder sehenswert. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht verlasse ich Hamburgs schönste Live Location und dieses Grinsen blieb, bis ich ziemlich kaputt ins Bett fiel. Was für ein geiler Abend…

Autor & Pics: Tino Sternagel-Petersen