TESTAMENT – titans of creation

Mein Kumpel Gonnie meinte neulich zum neuen Testament Album folgendes: „Da wo Testament drauf steht, ist auch Testament drin.“ In der Sache behält er natürlich Recht, aber ganz so einfach wollen wir es uns hier natürlich nicht machen. Die Marschrichtung des letzten Kloppers „Brotherhood Of The Snake“ (2016) hat mir zugegebenermaßen sehr gut gefallen. Drei, vier etwas komplexere Nummern am Anfang und dann nur noch Uptemponummern. Manch einem war das im Nachhinein doch etwas zu eintönig. Nun gut, da kann man mit „Titans Of Creation“ Abhilfe schaffen. Ähnlich wie bei „Dark Roots Of The Earth“ (2012) wird hier Abwechslung wieder großgeschrieben. Aber der Reihe nach.

Los geht es mit „Children Of The Next Level“, ein durchaus typischer Opener für ein Testament Album 4.0: Gehobenes Midtempo, bereits sehr abwechslungsreich und ein gelungener Refrain. Was will man mehr? Vielleicht ein etwas schnelleres Stück? Kein Problem mit dem folgenden „WWIII“. Eine klassische Uptempo Nummer, die man durchaus als Oldschool bezeichnen kann. Starkes Riffing und cooles Gitarrensolo in der Mitte inklusive. Weiter geht es mit dem groovenden „Dreamer Deceiver“. Diese sehr eingängige Midtempohymne hat durchaus das Zeug, sich zu einem Bandhit zu mausern. Hier gibt es, neben einem catchy Refrain, auch wieder ein tolles melodisches Gitarrensolo zu beklatschen. Mit dem folgenden fiesen, düsteren „Night Of The Witch“ hatte ich anfangs so meine Probleme. Eine durchaus interessante Nummer, die aber auch über Black Metal-lastige Vocals von Gitarrist Eric Peterson verfügt. Einige von Euch wissen bestimmt, das er nebenbei ein Projekt namens Dragonlord hat und dort auch „singt“. Es ist schon bemerkenswert, dass die Plattenfirma bei Testament im Vorfeld zu einer anstehenden Veröffentlichung ausgerechnet den extremsten Song als erste Single wählt. Aber ich habe meinen Frieden mit der Hexe gemacht, und im Kontext mit dem Gesamtwerk funktioniert der Song erwartungsgemäß super. Darüber hinaus lädt dieser ja auch sofort zum Headbangen und Fistraisen ein. Düster, wenn auch deutlich gemäßigter, geht es mit der Stadt der Engel (“City Of Angels”) weiter. Herausragend hier: Chuck Billys hypnothischer Gesang und die einmal mehr sehr melodische und abwechslungsreiche Gitarrenarbeit. Tolle Nummer, die mich stark an das „The Ritual“ Album von 1992 erinnert.

Nun muss ich aber spätestens hier unbedingt auf einen weiteren Protagonisten im Bandgefüge eingehen: Mr Steve DiGiorgio. Der ehemalige Sadus Tieftöner hat auf „Titans“ seinen großen Auftritt. Und was für Einen! Er spielt seine eigenen (Bass)-Melodien und die sind gerade bei den progressiveren Stücken die berühmte Kirsche auf dem Sahnehäubchen. So zum Beispiel auch bei „Ishtar‘s Gate“, wo das kurze Bassintro in eine orientalisch klingende Gitarrenmelodie übergeht. Übrigens sehr passend zum textlichen Inhalt des Songs, welcher von der abendländischen Kultur handelt. Die Alex Skolnick Komposition „Symptoms“ zeichnet sich durch ein immer wiederkehrendes Riff und Gang-Shouts im Refrain aus. Vielleicht eine etwas schwächere Nummer. Mit „False Prophet“ und „The Healers“ folgen im Anschluss wieder zwei typischere Songs mit deutlich mehr Tempo, beim letzteren sind sogar auch mal wieder Blastbeats zu hören. „Code Of Hammurabi“ nimmt noch einmal Bezug zum arabischen Thema auf und wird ebenfalls durch ein kurzes, prägnantes Bassintro eingeleitet. Auf der einen Seite komplex, auf der anderen Seite durchaus einmal mehr ein Testament-typischer Song. Hätte auch auf „Souls Of Black“ (1990) stehen können. Gegen Ende gibt es mit „Curse Of Osiris“ noch mal richtig eins auf die Glocke und Herr Peterson lässt es sich abermals nicht nehmen, ein paar fiese „Vocals“ beizusteuern. Trotzdem eine sehr starke Nummer. Geht in etwa in die Richtung von „Dog Faced Gods“ („Low“, 1994). Abschließend gibt es mit „Catacombs“ noch ein kurzes Outro.

Festzuhalten bleibt: Abwechslungsreiches Songwriting, einen voll integrierten Steve DiGiorgio, glücklicherweise nicht zu Tode getriggerte Drums, ein gut aufeinander eingespieltes Gitarrenduo und über Chuck braucht man eh nichts weiter zu sagen. Testament sind und bleiben „systemrelevant“!

Wertung: 9/10
Autor: Michael Staude