TOMORROW’S EVE – mirror of creation III – projekt ikaros

Die Saarländer Prog Metaller Tomorrow’s Eve starten nach zehn Jahren seit ihrem letzten Album „Tales Of Serpentina“ mit dem neuen Longplayer „Mirror Of Creation III – Projekt Ikaros“ nochmal durch. Progressive Metal, warum wähle ich mir als Freund eher eingängigerer und nach vorne gehender Klänge eigentlich dieses Review aus? Was soll’s, hören wir doch mal unvoreingenommen rein und machen uns ein möglichst objektives Bild, denke ich mir, als ich skeptisch ob eines dritten Teils einer Konzeptalbumreihe, deren ersten beiden Teile ich gar nicht kenne, den Volume-Regler an meiner Anlage nach rechts drehe.
Und ich muss sagen, es gab schon Alben, bei denen ich zu Beginn weitaus mehr in Versuchung kam, die Taste mit dem Quadratsymbol zu drücken. Der Opener „Welcome To The Show“ macht mich neugierig. Progressiv ja, aber dafür sehr eingängig und mit einem Hammersänger! Martin LeMar (u.a. ex-Mekong Delta) erinnert mich spontan an Bruce Dickinson. Der Mann versteht seinen Job. Das nenne ich mal einen Metalsänger, wie ich ihn mag. Und dieser Eindruck verstärkt sich bei mir im Laufe des Albums nur noch. Auch die restlichen beteiligten Musiker sind nicht gerade Anfänger. Neben den beiden Gründungsmitgliedern Rainer Grund (Gitarre) und Oliver Schwickert (Keyboards) sprechen wir immerhin von Mike LePond (Symphony X, Ross The Boss) sowie Schlagzeuger John Macaluso (u.a. Yngwie Malmsteen, TNT).

Bereits das folgende Stück „Morpheus“ zieht mich total in seinen Bann. Prog-typische Breaks und Tempowechsel, na klar, aber mit einer Melodielinie, die mir ausgesprochen gut gefällt und mich an Bands wie Savatage erinnert. Bombastisch, aber äußerst kraftvoll. Der Rock ‘n’ Roll-Proll in mir wird immer stiller. Auch die Lyrics, die von Schlaflosigkeit und Alpträumen berichten, können mich überzeugen. Der gute Eindruck wird auch mit „Bread And Circuses“ nicht enttäuscht, während „Imago“ mit so vielen unterschiedlichen Genren spielt, dass dieser Titel mir am Ende als der vielleicht überraschendste Titel des Albums erscheint. Trotzdem oder gerade deshalb interessant. „The System“ ist eine Anklage an Gewalt und Krieg in der menschlichen Geschichte, musikalisch vorsichtig von Synthesizern eingeleitet und umspielt, nichtsdestotrotz aber echter Metal, der von den Tasteninstrumenten nie weichgespült wird. Und das gilt für das gesamte Album. Herrlich fette Gitarrenklänge in nicht übertriebener Härte, aber auf den Punkt und immer heavy. Die Keyboards kommen hier und da schon mal etwas chaotisch um die Ecke, ohne aber das Gesamtbild zu verwässern. Vielleicht nichts für Puristen der True Metal Fraktion, aber ein Genuss für alle, die aufgeschlossen genug sind, neben fetten Gitarrenriffs auch mal ein Keyboard zu ertragen. Es muss ja nicht in „Jump“ bzw. „The Final Countdown“-Manier ausarten. Und das tut es bei Tomorrow’s Eve beileibe nicht. Das hier ist immer noch Metal. Progressive Metal, der sich nicht hinter Genregrößen wie Dream Theater verstecken muss. Mich erinnert das Album an manchen Stellen an Ayreon, obwohl der Vergleich etwas hinkt, weil Tomorrows Eve eindeutig viel mehr drücken.

Auch wenn ich hier nicht jeden der weiteren Titel einzeln hervorheben kann, heißt das nicht, dass „Mirror Of Creation III – Projekt Ikaros“ an dieser Stelle bereits sein Pulver verschossen hat.

Das herrlich symphonische „Dream Within A Dream“ hat sich mit seinem eingängigen Gitarrenriff zu Beginn zu einem meiner Lieblingsstücke auf dem Album entwickelt. Und „Mirror Of Creation III – Projekt Ikaros“ flacht zum Ende keineswegs ab. Die Qualität der Songs inkl. der Lyrics bleibt sehr hoch. Ein Album, das mich wirklich begeistert und neugierig auf die ersten beiden „Mirror Of Creation“-Teile gemacht hat. Vielleicht wird aus dem Proll-Rock ‘n’ Roller ja mit den Jahren doch noch ein Prog Metal-Fan? Geile Musik wie die von Tomorrow’s Eve könnte jedenfalls dazu beitragen.

Wertung: 9/10
Autor: Wolfgang Haupt