TRAVELER, FREEWAYS, THUNDEROR, POWERGAME

Oberhausen, Emscherdamm, 10.06.2022


Irgendwie fühlt sich das gar nicht so lange her an, doch das letzte Mal in diesem Hause waren wir Anfang 2020, kurz vor der Corona-Ära. Damals spielten Midnight Force, Riot City und … Traveler! Doch dazu später mehr, denn erstmal steigen jetzt die mit nicht wenig Vorschusslorbeeren behafteten Powergame in den Ring. Und tatsächlich liefern die Ostwestfalen eine grundsolide Oldschoolmetal Performance ab, Heavy Metal so wie damals, so wie er am meisten Bock macht. Noch von Spectre Dragon bekannt, knallt der Vierer sein Zeug von drei Alben in den Laden. Schön, dass die Wohnzimmer Stehlampe noch auf der Bühne steht, da fühlen wir uns doch gleich noch etwas mehr zu Hause. Während sich der Vierer einen abzockt, zum Bleistift mit „Silent Killer“ von der „Lockdown Tapes“ EP, fliegen im Publikum die ersten Haare. Für Powergame das erste Konzert dieses Jahr, ja verdammt, es geht endlich wieder los. Außerdem hat die Mannschaft einiges an Merch auf dem Biertisch ausgelegt, da kann man mal nebenbei oder ausgedehnter dran vorbeischlendern und angeködert werden. Wenn auch mit der hellen Schreistimme nicht alle Höhen treffsicher sitzen, die Klampfen passen. Shouter Matty fragt selbstbewusst: „War gut oder war scheiße?“ Alle melden sich als Begeisterte, na klar. Mit „ihr traut euch nur nicht“, kommentiert er das, aber er kann ja singen und fängt sich selbst immer wieder, außerdem kommt die mitbewertete Mucke gut an. Noch etwas mehr zum Durchdrehen liefert „Desert Plains“, ein Fave vieler Priest Fans und ganz offensichtlich auch heute Abend einiger Fans hier. Und komischerweise klingt ein Part im Song mit dem Titel „Back To The Ruskin Arms“ mit einem sehr maidenähnlichem Teil auch nach Iron Maiden, nämlich „Phantoms Of The Opera“. Hier wurden die Hausaufgaben gemacht!


Nach einem Synthieintro dürfen wir ein Powertrio erleben. Der oberkörperfreie Drummer JJ Tartaglia, bekannt von Skull Fist, singt und hat die Becken so hoch positioniert wie Henrik von Screamer. Geiler Anblick, aber das wird er so lange nicht mehr machen. Auch der langarmige Henrik hat sie inzwischen schon tiefer aufgestellt, weil es auf Dauer schon ganz schön auf die Knochen geht. Und beim Stichwort ‚Schweden‘ haben wir auch gleich den Übergang, denn unser Oberschwede und Mitschreiber Tino weilte beim Muskelrock Festival, sah dort die Band vor uns und schickte uns mit lobenden Worten zu Thunderor nach Overhausen. JJs Höhen scheinen zu treffen, aber von seiner hellen Stimme verstehen wir über das Headmic unten am Kinn kaum ein Wort. Aber alles knallt gut und ohne Frontshouter bleibt mehr Raum für die Action der Klampfe und des Basses, und den brauchen die wirbelnden Akteure auch. Die meisten Ansagen macht Gitarrist Johnny (ex-Skull Fist), aber irgendwo kommen aus dem Back abgespielt Synthies her. Das geht auf Kosten der Spontanität, aber Action haben wir reichlich. Plötzlich geht es in eine Rückkopplung über, die Bretter stöpseln aus und … sollte das das Ende sein? Rufe nach Zugabe übertönen die Rückkopplung und ein Song wird noch abgeliefert. Es gab letztendlich über vierzig Minuten auf die Fresse, so wie wir das erwartet haben. Bangerherz, was willst du mehr?


Hab ich schon geschrieben, dass Kanada rult? Aber mal langsam, alles der Reihe nach. Zuerst konnte ich mich an die nächste Band gar nicht erinnern, doch beim Anblick des an sich recht unmetallischen Wohnmobils auf ihrem Albumcover kam es mir wieder in den Sinn, dass dies die 70’s liebenden Kanadier sind. Freeways spielen nach einem langen Soundcheck schon vorm Traveler Backdrop und nach anfänglicher straight-Edge Metalkante erscheint bei dem Vierer dann doch die tief im Sound verwurzelte Siebzigerklamotte. Live on Stage metallen sie ihren Hardrock wie Teufel, mit Tempo und schön bratenden Gitarren. Erst recht, als Shouter und Flying V Gitarrist Jacob seine Brille abnimmt und wegpackt. Zu „Eternal Night“ dreht in erster Reihe befindliche Ricardo, seines Zeichens Shouter von „The Night Eternal“, das Mikro und singt eine Passage. Sänger und Gitarrist Jacob weiß das zu würdigen und wir verzeichnen heute gleich noch einen Drummer ohne Shirt. Na ja, genug Temperatur hat die Hütte auch, gar keine Frage. Gegen Ende wurde die Pausen Musik zu früh abgespielt, denn Freeways haben noch einen Song auf der Liste, denn ein Speedbrecher fehlte noch. Danach erschallten „We want more“-Rufe, aber leider musste der Zeitplan eingehalten werden und nach etwas über eine Dreiviertelstunde waren die Trucks, Snowmobile und Caravans von ihren Artworks im Ziel.


Auf der letzten Tour mit Riot City hatte Drummer Chad zwei Jobs, denn der trommelte in beiden Bands, Riot City und Traveler, beide Shows direkt nacheinander. Jetzt haben Traveler einen Neuen, der hört auf den Namen Nolan und ist heute der dritte Kesselmann ohne Shirt. Und er kann im High Speed mühelos Taktverschiebungen einbauen. Der Fünfer macht von Anfang an Feuer und Shouter Jean-Pierre zählt bis vier und dann … fliegt ihm das Mikrofon weg. Das Gros der bangenden Meute bekommt das eh nicht mit, wird nur von Nolan mit einem Grinsen kommentiert. Er performt in Kutte, erklimmt immer wieder die beiden Boxen vor der Bühne und sagt das Titelstück von zweiten Album „Termination Shock“ an. Nebenbei bemerkt dreht Freeways Shouter Jacob in der ersten Reihe vor der Stage durch. Vom ersten Album wird „Fallen Heroes“ gebracht und als bei Traveler eine Saite reißt, trabt Freeways Jacob los, holt seinen Gitarrenkoffer und leiht den Pechgitarristen seine Flying V. So muss das, da sind echte Kumpels auf Tour. Nach der kurzen Unterbrechung geht es weiter und die fünf Wahnsinnigen rasen in einem ohne Pause durch, ohne sonst irgendwie das Tempo zu drosseln. In seiner Ansage findet Basser Matt Worte für Dank an alle inklusive der Vorbands, die alle hier mit abfeiern. Dann nimmt das Programm mit einem selbst gesprochen Intro zu „The Prisoner“ von Iron Maiden seine Fortsetzung, sehr coole Idee der Jungs und nebenbei bemerkt, dürfte dies wohl der langsamste Song im Set sein, denn danach, Nomen est Omen, der Track „Speed Queen“ wird das auf gar keinen Fall gewesen sein. Was für ein Abend. Sehr gut hier gewesen zu sein, Leute wieder getroffen und ein klein wenig abgefeiert zu haben. Nächstes Mal geht es weiter!

Autor: Joxe Schaefer
Pics: Stefan Knoepker