Rock Hard Festival
Gelsenkirchen, Amphitheater, 06.06.2025 – 08.06.2025
Tag 1, Freitag, 06.06.2025: SANHEDRIN, ATTIC, MUNICIPAL WASTE, DEATH ANGEL, GEOFF TATE, EXODUS
Nach einer kurzen Begrüßung durch Redakteur Boris Kaiser eröffnet das sympathische Trio Sanhedrin aus Brooklyn um Punkt 15:00 Uhr das diesjährige Rock Hard Festival. Als Opener fungiert die erste Single „Blind Wolf“ vom aktuellen Album „Heat Lighting“, welches im März erschienen ist. Bei einer Spielzeit von gerade mal vierzig Minuten bleibt nicht viel Zeit für Ansagen. Daher packen Erica Stolz und ihre Jungs so viel Musik wie möglich in ihren kurzweiligen Set, dessen Schwerpunkt auf den letzten beiden über Metal Blade Records veröffentlichen Alben liegt. Die einzige Ausnahme bildet der Rausschmeißer „Riding On The Dawn“ vom Debüt, mit dem sich Sanhedrin vor ungefähr zehn Jahren in die Herzen der ‚Keep It True‘- und Undergroundmetalfans gespielt haben. Der unkonventionelle Mix aus klassischem Hardrock und Metal scheint auch auf größeren Bühnen prima zu funktionieren. Da braucht es nicht viel Stageacting, um mit mehr als wohlwollendem Applaus verabschiedet zu werden. (Michael Staude)
Setlist: Blind Wolf, Let’s Spill Some Blood, Correction, Lost At Sea, The Fight Of Your Life, Above The Law, Scythian Woman, Riding On The Dawn.
Die Auftritte von Attic sind bekannt dafür, dass sich Weihrauchgeruch breit macht. Natürlich ist das auch hier so, im luftigen Amphitheater am Rhein-Herne-Kanal sogar schon zum Intro bis in die Ränge. Die Band folgte zum dritten Mal der Einladung, hier beim Rock Hard Festival aufzutreten und diesmal erkennt man wegen des Sonnenlichts nicht, ob sie ihre Augen dunkel geschminkt hat, oder grad Sonnenbrillen trägt. Mittlerweile wurde es schon gut voll vor der Bühne, und die Frontleute posen was das Zeug hält, aber verursachen noch wenig Bewegung in den Reihen. Na gut, das ist auch nicht gerade die Stimmungsmusik für einen sonnigen Nachmittag. Auch nicht das grandiose „Join The Coven“, welches natürlich dabei sein muss, da erinnern wir uns doch gerne an die alten Tage und an ihre Konzerte zu ihrem ersten Album. Nach „Azrael“ wird der „Headless Horseman“ als letzter Song angekündigt und der Fünfer erreicht eine Spielzeit von etwas mehr als fünfunddreißig Minuten. (Joxe Schaefer)
Am Freitag um 17:00 Uhr stehen nun Municipal Waste aus Richmond, Virginia auf dem Programm. Scheinbar hat es sich bis dahin noch nicht herumgesprochen, dass es für eine schwarz-gelbe Gitarre in Gelsenkirchen Abzüge in der B-Note gibt, aber sei es drum. Bei der 80er-Jahre-Gedächtnis-Sonnenbrille, die Ryan Waste aufhatte, wird er es eh kaum gesehen haben. Vielleicht hat auch die pinke Kniebandage geblendet. Bekannte Glamrocker können hier vielleicht noch Tipps geben. Der Sound ist noch etwas leise, als mit dem Klassiker „Sadistic Magician“ der Set losgeht. Auch wenn der erste Song noch ein bisschen Midtempo ist, können sich Gary Holt und Rob Dukes vom Bühnenrand den ersten amtlichen Circlepit des Tages ansehen. Die Mischung aus Thrash, Hardcore, Punk und Party passt einfach zum Rock Hard. Weiter geht es mit „Slime And Punishment“ und der Partyhymne „Breath Grease“. Bei dem Stück muss nun auch der Verfasser dieser Zeilen zum ersten Mal in den Pit, was für das Schriftbild der nun folgenden Notizen nicht unbedingt förderlich war. Bei „Wave Of Death“ fliegt zum ersten Mal Moshpit-Stammgast Bolli von Terrorblade vorbei und man begrüßt sich herzlich. Weiter geht es mit „You’re Cut Off“, „The Thrashing Of The Christ“ und „Poison The Preacher“. Bei Bands aus dieser Altersklasse tue ich mich immer schwer, von neuen oder alten Stücken zu sprechen, aber wenn man auf den Kalender schaut, dann sind die Jungs auch schon im 25. Dienstjahr. Man, bin ich alt. Sie spielen halt heute die neuen, schnellen, kurzen Stücke, anstatt die fast noch neuen. Nach „Crank The Heat“ stellt Ryan fest, dass sie nur noch vier Minuten Zeit haben, aber das reicht für drei Songs. Bei „The Art Of Partying“ fliegen die Leute durch die Gegend, bei „Demoralizer“ die Scorpions-Gitarren-Zitate und beim Rausschmeißer „Born To Party“ einfach alles. Municipal Waste fucked me up. (Jens Wäling)
Klappe, Bay Area, die Erste. Death Angel geben sich auf dem Rock Hard Festival die Ehre und legen mit „Mistress Of Pain“ gleich einmal klassisch los. Marc ist bestens bei Stimme, allerdings konnte ich seine Bühnen-Ginflasche noch nicht erspähen. Mit „Voracious Souls“ bleibt es noch bei der legendären „The Ultra-Violence“ Scheibe, bis es mit „I Came For Blood“ ins aktuelle Jahrtausend geht. Auch wenn die Songs nun aus dem gleichen Jahrtausend wie die von Municipal Waste sind, so ist das Publikum doch etwas verhaltener. Will Carrol wird langsam grau und Marc redet für seine Verhältnisse sehr wenig heute. Erst nach „The Dream Calls For Blood“ lässt er sich zu einer Ansage hinreißen und behauptet, dass Death Angel nun schon zehn Jahre nicht mehr auf dem Rock Hard Festival gewesen wären. Das kommt mir irgendwie zu lange her vor, aber eine Google Recherche behauptet schon einmal nicht das Gegenteil. Mit „Caster Of Shame“ und „The Moth“ knallen zwei moderne Songs ganz gut, aber bei so einer Show vor so einem Publikum hätte es für mich gern tiefer in die 80er gehen können. Stattdessen gibt es mit „Wrath“ eine brandneue Single aus diesem Jahr. So langsam neigt sich auch dieser Gig dem Ende zu und es gibt „Thrown To The Wolfs“ von der „The Art Of Dying“ Scheibe. Dann wird „The Ultra-Violence“ wieder nur angespielt. Diesen Song einmal wieder komplett zu hören, hätte mich sehr gefreut. (Jens Wäling)
Den Co-Headliner des Freitagabends sollte man niemanden mehr groß vorstellen müssen. Ähnlich wie seine ehemaligen Bandkollegen von Queensryche begibt sich Geoff Tate seit geraumer Zeit mit einer nur aus unumstößlichen Klassikern gespickten Setlist auf Tour durch unsere Lande. Für heute steht der 1988er Klassiker „Operation: Mindcrime“ im Fokus, welcher in Gänze dargeboten wird. Die italienische Backingband wirkt (optisch) wie ein bunt zusammen gewürfelter Haufen, spielt aber doch recht ordentlich auf. Von Anfang an sticht vor allem der Drummer heraus, der genauso präzise wie einst Scott Rockenfield auf sein Kit eindrischt. Emotionaler Höhepunkt bildet selbstredend das im Duett mit der Keyboarderin Clodagh Mc Carthy vorgetragene „Suite Sister Mary“ und natürlich „Silent Lucidity“, die erste Ballade des Festivals. Für mich unerwartet beendet nicht „Walk In The Shadows“ den gut siebzigminütigen Set, sondern wie bei den letzten Gigs „Queen Of The Reich“. Klar ist der Meister himself gesanglich nicht mehr auf der Höhe wie in den 80ern/90ern, aber wer hier vorne im Publikum ist, hat einen tollen Auftritt erlebt und geht mehr als zufrieden jetzt erst mal ein Bier holen. Kurze Randnotiz: Auch bei den späteren Auftritten anderer Bands sind Soundprobleme zu bemängeln. Mehr als einmal sind die Gitarren und der Gesang zu leise oder gehen im Mix unter. (Michael Staude)
Setlist: Das Album „Operation Mindrime“ komplett, Silent Lucidty, Queen Of The Reich.
Eigentlich würde hier „Good, Friendly, Violent Fun“ als komplettes Review reichen. Damit ist alles zur Show gesagt, bzw. ein Foto vom aktuellen Backdrop, was an diese Scheibe erinnert, hätte es auch getan. Aber weil es sich hier um den Headliner des ersten Tages handelt, schreiben wir doch einmal ein bisschen mehr. Die wieder mit Rob Dukes am Gesang verstärkten Exodus fangen mit „We Will Rock You“ an und ich frage mich, wer dieser Ansager war, der sein Englisch scheinbar nach der 5. Klasse abgebrochen hat. Sei’s drum, Tom Hunting sieht man den überstandenen Krebs nicht mehr an, die Band wirkt fit, hat sichtlich Spaß und es knallt. „Bonded By Blood“ als Opener, „Exodus Attack“ kommt direkt hinterher und der Innenraum ist ein einziger Kessel. Rob Dukes wirkt für mich energiegeladener als Zetro bei den letzten Malen und das überträgt sich auf die Band. Scheinbar wollen die alten Männer den Jungspunden aus Richmond noch einmal zeigen, dass sie immer noch mithalten können. Vor der Bühne räumen die Nachwuchsthrasher den Pit auf. Mitglieder von Messerschmitt und Eradicator fliegen an einem vorbei (und beschweren sich jetzt schon über schmerzende Knie), na ja, „And Then There Were None“. Mit „Fabulous Desaster“ bleibt man noch einmal in den 80ern, bis es dann mit „Children Of A Worthless God“ zum ersten Mal in die Rob Dukes Phase der Band geht. Mit „Braindead“ wird nun noch ein „Bonded By Blood“ Klassiker eingeschoben, während es mit „Blacklist“ und „Prescribing Horror“ zurück ins aktuelle Jahrtausend geht. Die Setlist ist deutlich abwechslungsreicher als noch zu Steve Souza Tagen und ich mag die Kern-Asi-Art von Dukes auf der Bühne einfach. Mit „The Beatings Will Continue“ bleibt man sogar noch einmal beim „Persona Non Grata“ Album, dessen Stücke auch gut zu Dukes passen. Da wir auf dem Rock Hard Festival sind, ist nun aber auch genug mit dem neuen Zeug. „Metal Command“ wird ins Amphitheater gefeuert und so langsam bleibt niemand mehr im Innenraum einfach stehen. Die Wall of Death zu „A Lesson In Violence“ muss Rob gar nicht erst ansagen, das organisiert (ein komisches Wort bei dem, was da so passiert) sich einfach so. „War Is My Shepherd“ darf auch nicht fehlen, danach ist es Zeit zum Tanzen. Der angesagte „Toxic Waltz“ wird erst mit „Motorbreath“ und „Reign In Blood“ Zitaten angetäuscht, bis es richtig losgeht. The Pit is it stimmt heute einfach. Einer fehlt noch, damit Exodus von der Bühne, und ich in nicht durchgeschwitzte Klamotten darf: „Strike Of The Beast“. Das Riff von Holt und heute Abend Lee Altus ist ohnehin messerscharf, die Band tight und energiegeladen und das Amphitheater gibt noch einmal alles. Alles kaputt, alle glücklich, Tag 1 geschafft. Noch einmal vielen Dank an Bolli für’s Blockstellen beim Versuch, im Circle Pit ein Review zu schreiben. (Jens Wäling)
Tag 2, Samstag, 07.06.2025: AMETHYST, THE NIGHT ETERNAL, THE GEMS, DOOL, THRESHOLD, NILE, CRIMSON GLORY, DISMEMBER
Dass Amethyst auf diesem Festival spielen, und nicht auf dem zeitgleich stattfindendem ‚Battle Cry‘ im nicht weit entfernten Essen, kommt uns auf jeden Fall schon mal sehr entgegen. Wir haben die Schweizer bereits zweimal live gesehen und sie sind einfach grandios. Obwohl viele Bands derzeit den frühen Metalsound fahren, und dabei bis in die Siebziger gehen, müssen wir diesen Fünfer einfach abfeiern, weil sie mit Überzeugung alles richtig machen und ihre Songs alle zünden. Ihnen gelingt es mit Leichtigkeit, diese Klamotte noch einen Tacken cooler zu bringen. Auch wenn vor Beginn oberklasse Whipstriker abgespielt wurde, nach dem Intro, „Embers On The Loose“ und „Running Out Of Time“ wird dem frühen Besucher klar, dass diese fünf Jungs fett den Metal leben. Es zündet unser Favorit „Queen Of A Thousand Burning Hearts“ auch derbe live. Die Eidgenossen mit den einheitlich weißen Gitarren treten beisammen dicht im Rudel auf, nutzen gar nicht die gesamte Bühnenbreite und werden auch beim zügigen „Night Stranger“ im Acting nicht wirklich flinker, performen aber sehr authentisch. Songs wie „Rock Nights“, „Into The Black“ und „Chasing Shadows“ kommen einfach schon zu dieser frühen Mittagszeit an, auch das noch etwas zurückhaltend und respektvoll gebrüllte „Scream For Me Rock Hard Festival“ funktioniert! Wir kommen auf jeden Fall wieder, das steht fest. Einfach obercoole, durch das „Stormchild“ zu Grabe getragene, fünfundvierzig Minuten, für die es sich lohnte, den Vorabend nicht zu lang werden zu lassen. (Joxe Schaefer)
Vor dem Auftritt war ich ehrlich gesagt ein bisschen nervös. Schließlich hatten die Band und vor allem Sänger Ricardo die Nacht zuvor noch ordentlich im Partyzelt gefeiert. Ich frage mich, ob die Performance heute Mittag noch so energiegeladen und kraftvoll sein würde wie sonst – doch meine Sorgen sind schnell verflogen, denn The Night Eternal legen eine Show hin, die alles andere als müde wirkt. Auf der Bühne zeigen die Musiker stets eine enorme Energie, und ihr düsterer Oldschool-Hardrock hat einfach was, das die Band zu etwas ganz Besonderem macht. Ihre Lieder bestechen durch eingängige Melodien, prägnante Riffs, mitreißende Gitarrensoli und Ricardos kraftvolle Stimme. Zu den Highlights gehören „In Tartarus“, „Elysion (Take Me Over)“ und natürlich „Prince Of Darkness“. Plötzlich wird Ricardo ganz emotional und erzählt, dass sie sich alle – bevor es die Band überhaupt gab – hier auf diesem Festival kennengelernt haben. Er betonte, wie viel ihnen dieser Moment bedeutet und wie besonders es ist, jetzt genau hier auf dieser Bühne zu stehen. Und das Beste: Sie widmen einen Song der zurückgekehrten Security-Crew, die quasi schon jeden von ihnen als Crowdsurfer aufgefangen hat – was für ein cooler Moment! (Benny BK)
Freunde des straighten AC/DC Sounds begeben sich jetzt nach vorne. The Gems legen gleich mit ihrem Oberklopper „Queens“ los, als es grad noch voller wird im Halbrund. Die noch ziemlich am Anfang ihres Weges befindlichen ex-Thundermother Damen tragen enge Glanzoutfits, denen die Jeansweste ihres Quotenmannes am Bass gegenübersteht, der also optisch in dieser Konstellation einfach auffällt. Die Damen haben recht cooles Songmaterial am Start und kommen in den fünfzig Minuten stellenweise auch geiler rüber als ihre frühere Band. Schließlich hat ja schon ihr aktuelles „Phoenix“ Album überzeugt, das muss bei dieser Mitmachstilistik ja auch live angehen. Der fünfzigminütige Auftritt der Schwedinnen wurde leider von Wetterkapriolen begleitet, denn von Sonne, Regen und Windböen war alles dabei. Dementsprechend konnte man zwar starke Ab- und Zuwanderungen vor der Bühne beobachten, doch insgesamt müsste die Message angekommen sein. (Joxe Schaefer)
Nachdem Amethyst den besten Gig des ganzen Festivals abgelegt haben, fällt es mir nachmittags etwas schwer, in die ruhigeren Töne von Dool reinzukommen. Es braucht ein, zwei Songs, um in die Stimmung für Doom zu gelangen, doch Dool schaffen es mit ihren fantastischen Gitarrenwänden, der wunderbaren Stimme von Raven van Dorst und den tollen Melodien, die Zuschauer in Trance zu versetzen. Doch dann bricht ein Wolkenbruch sondergleichen über Gelsenkirchen aus, dass sich fast alle Zuschauer entweder unter irgendwelche Vordächer, oder direkt vor die Bühne drängen. Dool gelingt es mit den Songs ihres aktuellen Albums „The Shape Of Fluidity“ zumindest die Leute direkt unter dem Zeltdach bei Laune zu halten. Zum Schluss gibt es noch „Oweynagat“ und alle sind glücklich für die musikalische Seelenreinigung. (Martin Hil)
Eigentlich sollten die britischen Proggies bereits letztes Jahr beim Rock Hard Festival auftreten. Aufgrund anderer Verpflichtungen von Gitarrist und Bandkopf Karl Groom musste der Auftritt aber kurzfristig abgesagt werden. Sei es drum, heute stehen Threshold bereits das vierte Mal auf der Bühne in Gelsenkirchen Horst und zeigen sich wie immer von ihrer allerbesten Seite. Fast schon traditionell eröffnet das harte, aber sehr melodische „Slipstream“ den fast sechzigminütigen Set. Keyboarder und zweiter Bandkopf, Rich West, steuert hierzu die kurzen Growls vor dem Refrain bei, welche übrigens im Studio von einem gewissen Dan Swanö „eingesungen“ wurden. Die Setlist ist wie in den letzten Jahren auf Sänger Glynn Morgan zugeschnitten, der im vergangenen Herbst seine Stimme verloren hatte. Bei dem wunderschönen „Falling Away“ und dem Hit „Small Dark Lines“ zeigt er sich wieder voll auf der Höhe. Zudem greift er bei Bedarf auch zur zweiten Gitarre und unterstützt den ewig posenden (natürlich nicht negativ gemeint) Karl Groom. Optisch recht eigenwillige Akzente, neben chirurgisch präzisem Drumming, setzt auch der mit Preisen überhäufte Drummer Johanne James. Nach einer guten Feierstunde geht der gewohnt starke, wenn auch ein wenig routinierte Auftritt leider schon zu Ende. (Michael Staude)
Setlist: Slipstream, Silenced, The Man Who Saw Through Time, Mission Profile, Falling Away, Snowblind, King Of Nothing, Small Dark Lines.
Am frühen Samstagabend entern die Hobby-Ägypter Nile die Bühne. Mit ihrem technischen und zumeist sehr schnellen Death Metal sind sie wohl die musikalisch härteste Band des diesjährigen Rock Hard Festivals. Dementsprechend zerlegen Ausnahmegitarrist Karl Sanders und seine Truppe das Amphitheater mit chirurgischer Präzision. Der Sound ist gut und macht ordentlich Alarm, so dass die Zielgruppe das dargebotene Inferno begeistert abfeiert. Den Höhepunkt markiert für mich das schleppende, herrlich fiese „Sarcophagus“, das in Puncto Atmosphäre ganz klar Akzente setzt. Nach einer guten Stunde ist das Gemetzel vorüber und hinterlässt ein zufriedenes Lächeln in den Gesichtern der Extrem Metal Fans. (Felix Schallenkamp)
Die Freude ist groß darüber, dass nach den letztjährigen, sensationellen Auftritten beim ‚Prog Power Europe‘ und ‚Keep It True Rising‘ die aus Florida stammenden Crimson Glory ihren Weg auf das Billing gefunden haben. Für viele Metaller wird heute ein Traum wahr, denn so oft kommen die Amis nicht in unsere Gefilde. Vom Original Line-up sind gleich drei Musiker am Start und neben dem neuen Gitarristen Mark Borgmeyer liegt das Augenmerk vor allem auf Neusänger Travis Wills. Ebenfalls mit von der Partie ist Tour-Keyboarder John Zahner, der übrigens auch bei der 1991er „Streets“-Tour für Savatage in die Tasten griff. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten, gerät der Auftritt zu einer Machtdemonstration in Sachen leicht progressivem US-Metal. Gehen beim Einstiegsdoppel „Valhalla“/„Dragon Lady“ Gitarren und Gesang im Mix ein wenig unter, ist bei „Lady Of Winter“ wieder alles in Butter. Die Setlist umfasst ausschließlich Songs der ersten beide Götteralben und macht jeden im Auditorium glücklich. Es reiht sich Hit an Hit und auf neues Material, welches in die gleiche Richtung tendieren soll, wird jedoch komplett verzichtet. Nach dem ruhigeren „Loneley“ werden nochmal alle Kräfte mobilisiert und es folgt mit dem noch fehlenden, flotten „Red Sharks“ der totale Abriss. Später reden nicht wenige von DEM Highlight des diesjährigen Rock Hard Festivals. (Michael Staude)
Setlist: Valhalla, Dragon Lady, Lady Of Winter, Where Dragons Rule, Painted Skies, Masque Of The Red Death, In Dark Places, Eternal World, Azrael, Lost Reflection, Lonely, Red Sharks.
Pünktlich um 21:30 Uhr starten die schwedischen Death Metal Urgesteine Dismember ihren neunzigminütigen Auftritt und werden ihrer Headlinerposition vom ersten Moment an gerecht. Nach längerer Abstinenz war die Spannung in der Death Metal Gemeinde groß, und sie sollte nicht enttäuscht werden. Die Band präsentiert sich sympathisch und agil, und feuert einen Genreklassiker nach dem nächsten ins Publikum, welches die Show dementsprechend abfeiert. Der Sound ist derart fett und authentisch, dass ich über den kompletten Gig hinweg das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht kriege, und bei dem Götterwerk „Dismembered“ kommen mir die Freudentränen. Wer den alten Sunlight-Sound liebt, der in der Blütezeit des Death Metals vor gut 35 Jahren von Bands wie Entombed, Carnage und eben Dismember zum Markenzeichen des schwedischen Todesmetalls wurde, der wird wohl noch lange an diesen denkwürdigen Gig zurückdenken. Für mich das Highlight des gesamten Festivals! (Felix Schallenkamp)
Tag 3, Sonntag, 08.06.2025: TAILGUNNER, HIRAES, THE CRYPT, DESERTED FEAR, VICTORY, MYRATH, DIRKSCHNEIDER, W.A.S.P.
Die blutjungen Tailgunner aus Britannien kriegen eindeutig zwei Titel bei diesem Festival verliehen, für die meisten Nietenpins und für die schnellsten Songs. War ihre erste EP und das Debütalbum noch klassischer Metal mit etwas Power Metal, haben die Dame und die vier Herren mit ihren neuen Songs deutlich an Härte zugelegt und bis auf die Stimme von Sänger Craig Cairns, die immer noch klar, hoch und präzise jeden Ton trifft, ist die Mukke nun dem Speedmetal zuzuordnen. Zum Wachwerden um Punkt 12:00 Uhr mittags gibt es gleich vier neue Songs plus das Cover „Hit The Lights“ von einer Band, die irgendwann in den 80ern relevant war. Es bleiben also nur „White Death“ und der abschließende Titeltrack „Guns For Hire“ als Songs zum Mitsingen. Egal, das Quintett mit den weißen Gitarren bringt mit seiner Bühnenperformance Action ohne Ende und ist genau der richtige Opener. (Martin Hil)
Als eine der beliebtesten Frontfrauen in unseren Landen darf Britta Görtz bezeichnet werden, und das war sie bereits schon zu Zeiten von Cripper. Um nun mehr die Freunde des melodischen Death Metals zu beglücken, ist sie inzwischen mit Hiraes unterwegs, die zu achtzig Prozent aus ex-Dawn Of Disease Members bestehen. Zwei Alben hat diese Zusammenkunft bereits raus, das recht anhörliche „Solitary“, und seit vergangenem Jahr auch das etwas schwerer zugängliche „Dormant“. Erstgenanntes hat der Fünfer wohl leider schon vergessen, denn man will hier mit dem aktuellen Zeug wie „About Lies“ und „We Owe To None“ punkten. Die Wahl des schwierigeren Weges wird noch von Regenwetter überschattet, dass Brittas rosa Plüschjacke gar nicht mehr ins Gewicht fällt. Sie benutzt zunächst zwei Mikros, für jede Stimmfärbung eins, denn für ein paar Strecken will sie auch mal ihre tiefere Klarstimme einsetzen. In den wenigen leiseren Parts hört man dann auch mal, dass Hintergründe mit Synthies ausschraffiert werden. Trotzalledem beobachten wir nach etwas über vierzig Minuten plus Intro applaudierendes Publikum bis oben auf die Ränge. (Joxe Schaefer)
Dann sind The Crypt aus Schweden dran. Vor der Bühne ist es etwa halbvoll, als die gehörnte Frontfrau Pepper und ihre vier Herren in ihren Set aus melodischem Doom-Metal der Avatarium-Schule starten. Die Gesichtsbemalung erinnert eher an 90er-Jahre-Goths, mit den Orgel-Teppichen gelingt den Newcomern aus Stockholm allerdings ein angenehm düsterer Sound. Das passt besonders zu Songs wie „I Love The Darkness“, den die Frontfrau mit toller Stimme auch live sehr sauber singt. Vor der Bühne bewegt sich anfangs trotzdem noch wenig, The Crypt kassieren nach ihren Songs von der wachsenden Menschentraube jedoch mehr als nur Anstandsapplaus. Bei „Metal Priestess“ kommt dann etwas mehr Bewegung rein. Der Bandhit „Mistress Of Fire“ ist ein guter Schlusspunkt eines theatralischen Auftritts. (Florian Forth).
Größer könnte der Kontrast kaum sein: Nach dem nächsten Regenschauer dudelt „Layla“ aus den Boxen, dann gibt es von Deserted Fear modernen Death-Metal auf die Lauscher. Sehr tight und mit druckvollem Sound pfeffern die Jenaer zunächst zwei Stücke ihres neuen Albums „Veins Of Fire“ ins Gelsenkirchener Halbrund. Die jüngsten Kritiken dazu scheinen die Thüringer Metal-WG aber noch immer zu wurmen. Gitarrist Fabian Hildebrandt nimmt es mit Humor: „Einige sagen ja: diese scheiß Melodien. Naja, wir sind auch nicht mehr die Jüngsten, da verändert man sich.“ Das anschließende „Kingdom Of Worms“ vom gleichnamigen Album aus 2014 kommt dann schon besser bei den Zuschauern an, vor der Bühne kreisen die Matten. Auch das melodische „The End Of Our Reign“ von der neuen Scheibe knallt live ganz gut rein. Der Auftritt einer sympathischen Band voller Spielfreude wird vom Publikum im Amphitheater völlig zu recht gnadenlos abgefeiert. (Florian Forth)
Um auf Festivals in unseren Landen zu spielen, wird im Moment unheimlich gerne eine Zusammenkunft von Musikern eingeladen, die unter dem Banner Victory firmiert, und hier auf diesem Festival als Hannovers härteste Tanzkapelle angesagt wird. Doch Augen auf beim Schuhekauf, denn nach Hermann Franks Ausscheiden bei Accept stößt sein Alleingang mit seiner Definition der Reformierung von Victory nicht allerorts auf Gegenliebe. Es fehlt einfach zu viel. Der neue Sänger ist Gianni Pontillo von The Order und der kann was. Er bekommt den Bogen gespannt zwischen Charlie und Fernando, den beiden Sängern der ersten und stärksten Scheiben, denn darauf liegt auch heute der Schwerpunkt. Doch leider werden aus diesen Alben nicht die besten Stücke gespielt, sondern „Gods Of Tomorrow“, „Feel The Fire“ und „Take The Pace“, beginnend bei einer weiteren Regenschauer mit dem Opener „Rock The Neighbours“. Gesehen haben wir eine hochklassige B-Band mit coolen B-Songs. Denn die ganz Großen fehlen, nämlich neben bereits erwähnten Sängern noch Namen wie Basser Fargo Peter Knorn, Gitarrist Tommy Newton und Drummer Fritz Randow. Bei den Songs vermissen wir schmerzlich „She’s Back“, „Never Satisfied“, „Running Wild“, „The Bigger They Are“, „Backseat Rider“, „So They Run“, „Hungry Hearts“, Don’t Tell No Lies“, und natürlich „Rock ‚n‘ Roll Kids Forever“. Die coolen „Temples Of Gold“ und „Are You Ready“ haben wir aber doch noch bekommen, bevor dann das gitarrenmäßig heute nicht so zündende „On The Loose“ und das famose „Checks In The Mail“ als letztes Stück den Gig beschließen. Na ja … mehr als anständigen Applaus gabs aber trotzdem. (Joxe Schaefer)
Myrath werden von Organisator Holger Stratmann mit „Geschichten aus 1000 und einer Nacht“ angekündigt. Und orientalisch wird es dann auch, nicht nur visuell. Die Tunesier um Sänger Zaher sind bereits seit Jahrzehnten aktiv und versuchen, Nahost-Folk mit progressivem Metal zu verbinden. Das gelingt bei den härteren Songs wie „Tales Of The Sands“ und „Merciless Times“ auch ganz gut. Insbesondere Gitarrist Malek setzt mit seinen tollen Soli Akzente. Doch der Exotenbonus ist rasch aufgebraucht, das Material wirkt dann teils uninspiriert bis kitschig („Believer“). Auch die sporadisch auftretende Tänzerin kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Myrath die große Bühne noch nicht so recht zu füllen wissen. Davor wird zwar mitgeklatscht, ein Großteil der Besucher auf den Rängen nimmt den Auftritt aber eher regungslos hin. So gefeiert Myrath anderswo auch sein mögen, beim Rock Hard Festival spielen sie aus meiner Sicht mindestens drei Slots zu hoch im Billing. (Florian Forth)
Nachdem Dirkschneider zusammen mit Deserted Fear als letzte Bands für das diesjährige Festival bekannt gegeben worden waren, war die Vorfreude natürlich groß. Nicht nur, weil Udo Dirkschneider 2017 schon das Amphitheater mit Accept-Songs zum Kochen gebracht hat. Dieses Mal sollte es ein „Balls To The Wall“-Set werden, das nun vierzig Jahre alt ist. Gutes Album, keine Frage, aber da gibt es ja noch bessere („Restless And Wild“ sagen viele, Joxe würde „Russian Roulette“ nennen, für mich ist es „Metal Heart“). Seis drum, es bleiben ja noch dreißig Minuten neben diesem Genreklassiker. Mit fünfminütiger Verspätung geht es direkt mit dem Titeltrack los, es folgt das Album in chronologischer Reihenfolge. Zwar ist der Sound gut und besonders die Saiten von Original-Accept-Bassist Peter Baltes knallen, jedoch ist die Musik sowohl auf der Tribüne als auch unten zu leise. Besonders geil kommen die schnellen Songs wie „Fight It Back“ und „Losers And Winners“, aber auch die Ballade „Winter Dreams“. Daraufhin folgt das obligatorische „Restless And Wild“. Mit dem überragenden „Burning“ kündigt Udo dann schon das Ende der Show an. Ein Blick auf die Uhr zeigt, es wären noch fünf Minuten Spielzeit übrig und somit eigentlich noch für „I´m A Rebel“, „Breaker“, „Midnight Mover“ … Zeit. Fazit: etwas kurz, etwas leise, Udo selbst in Topform, gerne in ein paar Jahren wieder mit einem Best-Of. (Martin Hil)
Die Anhänger von Blackie Lawless freuen sich ebenso auf den diesjährigen Festivalheadliner, wie die Fans der frühen W.A.S.P.-Alben. Und so ganz sicher soll es wohl auch gar nicht sein, dass der Mainman mit seiner Truppe das erste Album nun komplett am Stück spielt. Allerdings rechnen wir auch nicht wirklich damit, dass er beim Erstellen der Setlist seine Konzeptalben in den Fokus rückt, ebenso wird er wohl auch die die grandiose „Golgotha“ Scheibe außen vor lassen. Übrigens das jüngste reguläre Studioalbum, das allerdings auch schon wieder zehn Jahre auf dem Buckel hat. Vor dem Auftritt verdichteten sich jedoch die Gerüchte, dass das erste Album heute Abend doch im Mainfokus steht. So war es auch vorgestern in Danzig auf dem Mystic Festival, wo Blackie und seine Band damit, und ein paar Hits mehr, amtlich abgefeiert wurde. Das bekannte Intro „The End“ von den Doors startet die Show und es wird als erstes „I Wanna Be Somebody“ gezockt. Die Songs zünden im Halbrund, denn es hüpfen alle irgendwie rum und bei „L.O.V.E. Machine“ singt schon alles mit. Unser zeitlicher Aushilfsfotograf trifft mit seiner Bemerkung, dass alte Männer nicht immer Scheiße sind, genau unseren Humor. Als dann unser Underground-Hit aus den Tagen des Jugendzentrums „The Flame“ daran ist, fühlen wir uns bestätigt, das 1984er Debüt ist auch heute tutto kompletti dran. Mister Blackie zeigt sich schwarzgekleidet mit seinen weißen Fransenstiefeln, allerdings steht auf den Kapuärmeln des neugeborenen Christen ironischerweise „Smith & Wesson“. Die Snare knallt laut und auch sonst geht der Sound ziemlich in Ordnung. Nach einer längeren Ansage folgen „B.A.D.“, „School Daze“ und „Hellion“, wo Blackie in verschiedenen Lautstärken clean singt und rough brüllt, sowie allen seinen Dank für die letzten vierzig Jahre ausspricht. Passende Technikeinstellungen lassen eine glutrote Bühne zu „Sleeping In The Fire“ wirken, wo Gitarrist Doug Blair ein laaanges Gänsehautsolo abfeuert. „On Your Knees“, „Tormentor“ und „The Torture Never Stops“ beenden die Tracklist des Albums und machen den Weg frei für weitere Hits. Denn dann folgen noch „The Electric Circus“ (mit Intro)/„I Don’t Need No Doctor“/„Scream Until You Like It“/„The Real Me“ in einem Medley. Die sehr bekannte Vorzeigeballade „Forever Free“ erklingt mit so perfekten Vocals wie auf Platte, die aber viel lauter drüber fliegen. Mit den Superhits „The Headless Children“, „Wild Child“ und „Blind In Texas“, mit leiserem Beginn, ist der Drops nach fast neunzig Minuten gelutscht. Jedenfalls konnte dieser Auftritt mehr zufriedene Gesichter als Fragezeichen hinterlassen, dass wir von einem würdigen Headlinerauftritt sprechen dürfen. Wir sehen uns alle nächstes Jahr wieder und beenden dieses Review nicht, ohne uns bei allen Verantwortlichen und Beteiligten zu bedanken!
P.S.: Die relevanten Tage des nächsten Pfingstwochenendes werden 22.-24.05.2026 sein! (Joxe Schaefer)
Autoren: Michael Staude, Felix Schallenkamp, Jens Wäling, Benny BK, Martin Hil, Florian Forth, Joxe Schaefer.
Pics: Stahli (baalphemor.de), Joxe Schaefer