DEMON, PRAYING MANTIS, GIRLSCHOOL

Hamburg, Kulturpalast, 30.10.2019


Hamburg ist immer eine Reise wert, besonders dann, wenn ein klassisches NWoBHM Billing ansteht. Bereits einige Male als Headliner gesehen, gehen die Mädels von Girlschool heute Abend als Opener auf die Bühne. Nachdem sie bei Rock Goddess raus ist, stehen für die ausgeschiedene Enid erfreulicherweise die Dienste von Tracy Lamb am Bass zur Verfügung. Ihr Einstieg bei der Mädchenschule hat seit Ende der Achtziger inzwischen schon zum dritten Mal gut geklappt. Während Denise hinter ihrem Kit platznimmt, muss das Intro zum Opener “Demolition Boys” vom Soundmann insgesamt dreimal abgespielt werden, bis die restlichen drei Mädels endlich unter Nebel die Bühne entern. Man kann anschließend bei der Granate “C’mon Lets Go” merken, dass es dem Mädels etwas an Foffo mangelt, obwohl sie einen ziemlich fitten Eindruck machen. Wer den Vierer heute zum ersten Mal live sieht, wie das Mädel im Volbeat-Shirt vor mir, hat damit jedoch überhaupt kein Problem. Gitarristin und Sängerin Kim gibt ihre Freude zum noch aktuellen 2015er Albums „Guilty As Sin“ mit der Bemerkung Ausdruck, es tatsächlich schon in dieser Dekade veröffentlicht zu haben und sagt das Titelstück an. Und was die Fans besonders erfreut, ist der Opener “Action” ihres unterbewerteten Albums „Take A Bite“, welches mit Tracy 1988 veröffentlicht wurde. Mit Ausnahme von “Take It Like A Band“, das sie nicht nur Lemmy, Eddie und Philthy, sondern auch ihrer 2007 verstorbenen Gitarristin Kelly Johnson widmen, bleiben sie mit Motörheads “Bomber” ebenso in den Jahren bis 1981, wie mit Songs wie “Race With The Devil”, „Kick It Down“ und “Emergency“ der ersten beiden Alben. Schade, dass sie ihr Hammeralbum “Screaming Blue Murder” nicht berücksichtigen, denn für einen Song wie dem Titelstück oder mal einen Knaller wie “Hellrazor” hätte es zu den tatsächlichen vierzig Spielminuten noch Platz gehabt.


Unser letztes Konzert von Praying Mantis haben wir ebenfalls in Hamburg gesehen, damals furios als einstündiger Opener für Y & T. Das ist nun auch schon wieder drei Jahre her, wie die Zeit vergeht. Inzwischen steht das 2018er Album “Gravity” im Fokus. Die Gottesanbeter waren auch ein Teil der NWoBHM und hatten namhafte Sänger wie Bernie Shaw, Gary Barden, Doogie White, Damian Wilson und Paul di‘Anno im Line-up, ebenso wie einige ex-Members von Iron Maiden, blieben aber immer bei progressiveren Powerrock Härtegraden. Jetzt sorgt der Holländer John Cuipers, bekannt durch diverse Tribute-Bands, für eine rauchigere Röhre bei den Briten. „Captured City“ und das gleich hinterher geschossene Anthem setzen erste Ausrufezeichen. Ein Mikrofonproblem scheint für den Fünfer kein Problem zu sein, John wechselt einfach zu den anderen für die Backings Aufgestellten und der Fünfer macht mit dem Defekten Späße wie Mitsingspielchen, in denen man das Vorgesungene natürlich nicht hört. Überhaupt zeigt sich Mitgründer und Gitarrist Tino Troy als Oberaktivposten wie immer sehr gut gelaunt, flachst und übernimmt den größten Teil der Ansagen. Ein Keyboard ist zu hören, aber dahinter steht niemand. Kann aber auch sein, dass es für den danach folgenden Headliner schon aufgebaut wurde, wie sich noch herausstellt, denn bei Praying Mantis steht kein Tastenmann auf den Brettern. Tracks wie „Restless Heart“ und mein Favorit “Fight For Your Honour“ funktionieren prächtig, allerdings zieht sich danach langsameres Material zu sehr in die Länge und nimmt im eh schon softeren Bandsound die Fahrt raus. Die Fans der Band feiern alles ab, aber das Gros möchte zünftig rocken, wie in der Zugabe “Children Of The Earth”. Mit der Spielzeit können wir mehr als zufrieden sein, weil schlussendlich kommen fast 85 Minuten in die Waagschale, dass man in der Tat von einer Double-Headlinershow sprechen kann.


Lange im Vorfeld haben die Haudegen von Demon angekündigt, endlich mal wieder das von den Fans viel gewünschte 1989er Werk „Taking The World By Storm“ zu entstauben. Und zwar nicht nur einzelne Songs davon, sondern gleich das ganze Album. So stand es fett auf den Plakaten, und so sollte es auch geschehen. Also überrascht die Songreihenfolge wenig, wohl aber, dass ein “Commercial Dynamite” und das folgende Titelstück ungewöhnlich früh für einen Wow-Effekt sorgen. Für den heutigen Abend kommt Sänger Dave Hill in Kluft und Dirtpaint, der erklärt, dass man manche Songs des Albums noch nie live gespielt habe. Dann setzt “The Life Brigade” mit mega Fanchören noch einen drauf und wir notieren einen sehr großen Applaus für “Remembrance Day“ (A Song For Peace)”. Im melodischen Sound von Demon hat Keyboarder Karl einiges zu tun, haut permanent in die Tasten und scheint dabei die angezeigten Noten auf seinem Screen gar nicht zu beachten. Als „What Do You Think About Hell”, ein besonders erdiges „Blue Skies In Red Square” und das finale “Time Has Come” das Kapitel geschlossen haben, war jedem klar, dass das jetzt noch nicht alles war, denn die Veteranen werden tatsächlich noch auf über 100 Minuten Spielzeit kommen. Jetzt werden noch einige Songs ihrer neuen Compilation folgen, die den Titel “The Devil Rides Out” trägt, neu abgemischte Klassiker und einen neuen Song enthält und als Soundtrack eines Online Slotspiels bereits veröffentlicht wurde. Mit “ Sign Of A Madman“ geht es nahtlos in den zweiten Teil der Show über und wir dürfen uns noch über den Groover „Life On The Wire“ und dem sonst häufig gespielten “The Plague” freuen, bevor dann endlich das erwartete “Don’t Break The Circle” ansteht. Dann erst noch “Liar” bis das unverzichtbare “Night Of The Demon” noch einmal alle Arme hochschnellen lässt. Tatsächlich steigt die Temperatur im Kulturpalast weiter, dass bloß ein getragenes Shirt als viel zu warm empfunden wird. Und wer dachte, dass jetzt ist schon Schluss ist, bekommt noch ein “One Helluva Night” vor den Latz. Danach wird der fast volle Saal dann doch entlassen. Starker Kontrast, denn draußen messen wir um die null Grad Celsius.

Autor & Pics: Joxe Schaefer