HÜRLEMENT, DON’T DROP THE SWORD, ON ATLAS SHOULDERS, REINFORCER

Oberhausen, Helvete, 25.02.2022


Die letzten Entscheidungen in der Politik ermöglichen im Helvete am heutigen Abend einen Konzertabend mit vier coolen wie recht powermetallischen Bands. Den Opener stellen Reinforcer aus Paderborn. Der aufstrebende Fünfer beruft sich auf das aktuelle Album „Prince Of The Tribes“, das bereits in der Mitte des vergangenen Jahres veröffentlich wurde. Erstmal führt ein Keyboarintro in das Titelstück oben angeführten Albums ein, und nach diesem ersten Track fliegt schon das Shirt von Shouter Logan in die Ecke. Das Publikum steht nicht zu gedrängt und hält sich bei den midtemponahen Songs noch mit dem Zappeln zurück, hat aber schon Elan für Zurufe und zum Mitgrölen, lauter und bestimmter als die Ansagen. So wird die Frage: „Wer will hier ein Pirat sein?“ mit „Under Jolly Roger“ beantwortet. Logan holt zu „Hand On Heart“ das Schwert raus und schlägt seine Mitmusiker zum Ritter. Irgendwie ist plötzlich die Zeit um, doch das waren allerdings tatsächlich schon vierzig Auftrittsminuten, die unter Applaus beendet wurden.


Wir haben noch keine Ahnung, was auf den Schultern von Atlas liegt, als eine  Kurzhaarbande als nächste Band auf die Bühne geht, denn weder ihr erstes Album „Invictus“, noch der letztjährige Nachfolger „Hyperion“ drang bislang in unsere Lauscher. Der noch aufs Billing gerutschte Vierer von On Atlas‘ Shoulders aus Frankfurt / Darmstadt startet schon vor dem Don’t Drop The Sword Backdrop mit dem Opener „The Executioner“ des jüngsten Albums. Und sie holen die große Axt raus. Wenn das mit den Hiebwerkzeugen so weiter geht, könnten Solinger Hersteller zu Sponsoren des Abends werden. Die helle Singstimme ihres Sängers besitzt eine markante Färbung und kann unter vielen wiedererkannt werden. Bei einem treibenden „Ruins“ kann man das auch behaupten, falls die einfachen Melodien beim Hörer etwaige Langzeitwirkungen ausbremsen. Im Epic Metal erwartet man eh keine hohen Geschwindigkeiten, immerhin treiben mal ein paar Doublebassattacken durch den Keller oder ein zackiges Uptempo. Die Audienz feiert alles ab und hat offensichtlich mächtig Spaß – so soll das auch sein. Als Rausschmeißer bringen die Hessen ihr Paradestück „Biohazard“, bevor ein mehr als anständiger Applaus den Gig nach zweiundvierzig Minuten beendet.


Als nächstes im Programm stehen Don’t Drop The Sword aus Erding an, von woher ebenso jenes bekannte Weißbier kommt. Im Gegensatz dazu bekamen wir außer der Single „Prophecies Carved In Sand“ und der Bekanntgabe ihres heutigen Auftritts bislang nicht viel von den Bayern zu hören. Nach dem Liveintro von Iron Maidens „Ghost Of The Navigator“ steigt der Fünfer in seinen Set ein. Die tighten Chöre in verschiedenen Stimmlagen sind definitiv echt und nicht vom Band. Im Gegensatz zu den beiden Bands zuvor gibt schon mal eine klare Temposteigerung zu verzeichnen, und wieder einen Sänger mit kräftiger Stimme. Der Chorus im Schunkler „Rotten Wings“ wird so häufig wiederholt, dass wir ihn wiedererkennen werden. Auf jeden Fall haben die Protagonisten melodietechnisch schon mal Helloween gehört. Was erwartet uns sonst noch, vielleicht noch eine weitere Klinge? Nein, aber ab „Into The Fire“ sehen wir noch einmal ein Sänger ohne Shirt, aber auch viele Hände hoch gehen und auf den Gitarrenhälsen getappte Soli. Laute Hey-Rufe der Audienz leiten das zügige „At The Edge Of Night“ ein und nach ihrem Anthem sollte Schluss sein. Eigentlich, aber deftige Rufe nach Zugabe kitzeln dem Fünfer noch ein schnelles „King Of The Dragon Age“ und das ganz neue „The Eye Of The World“ heraus. Damit kommen sie auf eine Stunde Spielzeit. Klasse Sache!


Durch den krankheitsbedingten Ausfall der Doomheads von Wheel sind die Franzosen zum Headliner befördert worden. Noch immer haben wir ihr absolutes Vorzeigealbum „Terreur Et Tourment“ im Ohr, und so haben Hürlement das Helvete vom ersten Ton an Fest im Griff. Eingeforderte Publikumsreaktionen funktionieren und Shouter Alexis The Warnabot outet sich sehr früh, er könne sehr gut Deutsch. Dennoch tätigt er seine Ansagen weiter in englischer Sprache. Auf der Bühne wird nicht mit großen Klingen und freien Oberkörpern posiert, in Teilen von Basser Didier mal abgesehen. Deswegen richten wir mal unseren Fokus auf den Mann am geil knarzenden Bass. Der Hüne mit offenem Baumfällerhemd und Bierbauch gibt vom ersten Moment an Vollgas und wird später als „sexiest Man and Bassplayer alive“ vorgestellt. Bezeichnend bei dem Quartett sind nicht nur die hohen Geschwindigkeiten, sondern auch, dass sie noch ein ordentliches Pfund Urwuchs mit auf die Waage bringen. „Brothers Of The Watch“ wird von einem Fan aus der ersten Reihe angesagt und zwischen „The Song Of Steel“ und dem pfeilschnellen „Mercy“ bedankt man sich für die Action im Publikum mit den Worten, es würde sich wie 5000 Leute anfühlen. Sicher waren ‚Hürlement‘-Rufe alleine nicht für Zugaben die Ursache, aber dass uns ein anständiges Cover von „Sortilege“ zum Abschluss zuteilwerden durfte, war wohl eine Idee von Shouter Alexis, der schon live bei den Landsleuten von Sortilege auf der Bühne mitwirkte. Mit diesen siebzig Minuten geht ein stark befeiertes Konzertereignis zu Ende, das nach langer Zeit hoffentlich als Startsignal für weiter Folgende gesehen werden darf.

Autor & Pics: Joxe Schaefer