SODOM, HOLY MOSES, ASSASSIN

Oberhausen, Turbinenhalle, 30.12.2019


Vor noch nicht allzu langer Zeit spielte zum Jahresabschluss ein Rock ‘n’ Roll Trio in unseren Breiten, wo man gewöhnlich hin ging. Nur haben sich die Zeiten geändert, das Trio gibt es nicht mehr und wird vermisst. Jetzt spielt zum Jahresabschluss ein Quartett, das als die deutschen Motörhead durchgeht. Eine Beschreibung, die vom Gefühl her auf jeden Fall passt und damit offensichtlich eine Lücke schließt. Außerdem spielen noch zwei weitere Bands, die dazu wie der vielzitierte Arsch auf den Eimer passen und zusammen ein definitiv geiles Billing stellen. Gleich die Erste sind wie alle heute Abend alte Haudegen und dürfen mit Spannung erwartet werden.

Irgendwie hatten wir es bislang noch nicht geschafft, Assassin mal live zu sehen. Auch nicht in jüngerer Vergangenheit, in der sie wieder ziemlich aktiv sind. Der Lichtmann zeigt sich den ganzen Abend über sehr aktiv, haut besonders brutale Farben raus, dass die Fotografen mit dem Kontrast zu kämpfen haben. Im ausgiebigen Intro zum Auftritt der Ur-Thrasher sind es Blitze, dass man Herrn Blackfire, der heute eine Doppelschicht schiebt, zunächst einmal nur an seinen Umrissen erkennen kann. Eine lange Einführung lässt schon erahnen, dass der Fünfer keinesfalls mit einer seinem Namen unangemessen Spielzeit abgefertigt werden wird. Und so wird es auch sein, darf vorweggenommen angeführt werden. Es bollert und rummelt in der Turbinenhalle 2, aber Vocals und Höhen kommen deutlich rüber, so auch in „Baka“ vom 1988er Album “Interstellar Experience”, welches die Halle zum Mitgrölen nutzt. Linkshandbassist Joachim spielt sonst Musicals, steht aber heute bei Assassin am vordersten Bühnenrand. Außerdem wird von nicht zu knappen Ansagen profitiert, in denen mit dem Publikum ein Dialog entsteht. Natürlich wird ihr wohl stärkster Song, das Anthem „Assassin“, zum Finale gebracht, noch einmal mit langen Mitgrölparts. Nach fünfzig Minuten muss Schluss sein und wir haben alle Gründe, diesen Fünfer in so guter Erinnerung zu behalten, dass wir zu ihren nächsten Auftritten wieder vor der Bühne stehen wollen.


Die Umbaupause wird dem Kuttenpublikum an einem altthrashigen Abend wie diesem tatsächlich durch Songs wie “Don’t Stop Believin'” und “The Final Countdown” versüßt, bis Holy Moses auf die Bretter kommen. Als Sabina Classen erscheint, ertönt  lautstarker Applaus. Sabina tritt stilecht mit Kutte auf und gibt die ersten zehn Minuten absolut Vollgas auf den Brettern. Erst mal werden von Sabina zu Songs des Albums “The New Machine Of Liechtenstein” nur Meter gemacht, definitiv ansteckende weil sich übertragende Action. “Hellhound” und auch das Titelstück vom „Finished With The Dogs“ Album liefern sie wie alle Bands heute unter dem fetten Logo des Sodom-Backdrop ab, das bereits im Hintergrund prangt und wohl durch nichts anderes zu verdecken ist. Sabina und ihre deutlich jüngeren Mitstreiter liefern viel Achtzigerzeug wie „Life’s Destroyer“ ab und ihre Ansage: “Noch zwei Stücke, dann kommt mein Lieblingssänger, Tom Angelripper!” und “Ich hab meinen Jack Daniels im Backstage gelassen, aber “Too Drunk To Fuck” werde ich nicht sein!” unterstreicht, dass Sabina einfach eine sympathische Performerin ist. Zum letztgenannten Song holt sie sich einige Mädels auf die Bühne, mit denen sie das Dead Kennedys Cover zusammen aufzieht. Kurz nach einer guten Stunde Stagetime war Sabina bereits zum Schwatz mit den Fans am Merchandise anzutreffen.


Im neuen Line-up haben Sodom die EP “Out Of The Frontline Trench” veröffentlicht, und beginnen ihren Auftritt auch gleich mit dem Opener “Genesis XIX”, gefolgt vom erprobten “Sodomy And Lust“. Die an den Seiten der Drums aufgebauten Knarrenheinze überwachen mit ihren rot beleuchteten Augen ganz sicher nicht irgendein Timing, allerdings hat sich am Zusammenspiel der Band in letzter Zeit einiges getan. So gibt es nach einen stattlichen “The Saw Is The Law“ reichlich Sodom-Rufe und erst jetzt erfolgt die erste Ansage. Während durch drei Theken in der Halle keine langen Wartezeiten für das kühle Blonde entstehen, sondern ein guter Fluss in jeder Hinsicht, knallt uns “Outbreak Of Evil“ und “Conflagration“ zwischen die Ohren. Und immer wieder sind Sodom-Rufe zu hören, eine Antwort auf die Wall Of Sound, die uns hier in Halle 2 ins Gesicht drückt. Selbstredend dreht zu „Agent Orange“ alles durch und Tom sieht sich bewogen, vor “Blasphemer” sein ausgestripptes Shirt in die Menge zu werfen. Frank Blackfire tuts ihm nach, wirft sein Shirt aber den Roadies zu und bezeichnet Tom als sexiest Onkel alive.

Nach Toms Bandvorstellung und „Suicidal Justice“ folgt für Lemmy eine ziemlich zügige Version von “Iron Fist”, dass Lemmy-Rufe die logische Folge sind. Es beenden “Persecution Mania“, “Witching Metal“ und “Tired And Red“ den regulären Set und das Quartett verlässt unter Rufen nach jener wohlbekannten ‘Ursel’ die Bühne. Walgesänge läuten die erste Zugabe “Silent Is Consent“ ein, gefolgt von einem zünftigen „Remember The Fallen“. Völlig klar, dass zu “Ausgebombt” Circle Pits entstehen und alles komplett abdreht. Dazu gehört auch Kollege Jensenmann, der mir grad noch ins Ohr brüllt, dass das einer der besten Motörheadstücke ist, welches Motörhead nie gespielt haben. Gefolgt von “Bombenhagel”, logischerweise komplett inklusive Nationalhymne. Danach bringt man noch das Steigerlied, dessen Rückkopplung bis in “You Shook Me All Night Long“ aus der Konserve reicht und den Auftritt auf 95 Minuten cuttet. Auch wenn heute die gewisse Ursel übrigens in keiner Form erschien, sollte man dieses Konzert zum Jahresabschluss besser besucht haben.

Autor: Jens Wäling, Joxe Schaefer
Pics: Joxe Schaefer