METAL INQUISITOR

Von Gefangenen und der freien Hand



Qualität braucht seine Zeit, davon könn(t)en die Koblenzer Metal Inquisitor ein Lied singen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der neueste Wurf “Panopticon” fast fünf Jahre gedauert hat. Ist es doch gleich zu Jahresbeginn schon das erste große Ausrufezeichen und rotiert bei vielen vom X-Crash, den Interviewern Joxe und Tino eingeschlossen, in Dauerschleife und läuft Gefahr, mit dem CD Schacht zu verwachsen. Um es mit den Wortes von Husky (ex-Metal Inquisitor) in einem Desaster Interview zu sagen: “Fünf Jahre sind lang genug!” haha. Was die perfide Gefängnisidee eines Philosophen mit der neuen Metal Inquisitor Scheibe “Panopticon” zu tun hat und welche Silberlinge im Tourbus laufen würden, haben uns Saitenhexer TP und Frontsympathiebolzen el Rojo in einem sehr ausführlichen Interview während der langen, kalten Winternächte verraten.


Tino: Hallo und erst einmal Herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, dem X-CRASH ein paar Fragen zu eurem neuen Album “Panopticon” zu beantworten. In unserer Rubrik Review habt ihr damit ja schon ordentlich abgeräumt – Glückwunsch dazu. Welcher Song ist dein persönliches Highlight auf “Panopticon”?

TP: Erst einmal Besten Dank  für euer Interesse. Es ist, so glaube ich, das erste Inti im X-CRASH, oder?  Mein Highlight auf der Scheibe ist tatsächlich “Beyond Nightmares”, weil dieser Song alle Elemente eines guten Metalsongs enthält und genau meinen Nerv trifft. Hier hat Blumi ziemlich ins Schwarze getroffen. Wir haben den Song bei den letzten Shows bereits gespielt, und es fühlte sich super an, einen solchen neuen Song im Programm zu haben, der schnell zündet und auch spielerisch fordernde Elemente enthält.

Joxe: Jau, euer erstes Interview bei X-Crash. Wann bist du damals mit dem Klampfen angefangen, war Metal Inquisitor deine erste Band?

TP: Angefangen habe ich mit vierzehn oder fünfzehn Jahren. Dazu motiviert hat mich ein Klassenkamerad, den ich auch aus Grundschultagen kenne, Sven Fischer. Er spielte damals bei Pyracanda und später bei Rage. Im Laufe der Jahre hat er mir auch eine seiner Gitarren überlassen; eine schwarze Rhandy Rhoads von LAG, die ich immer noch oft und gerne live spiele. Meine erste Band vor Metal Inquisitor war Subculture, mit denen ich ein paar Demos einspielte. Wir waren damals sehr auf die Band fokussiert und probten dreimal in der Woche drei bis vier Stunden. Leider ist nicht mehr daraus geworden. Und als Anfang der 90er Crossover, Grunge usw. aufkamen, gingen unsere musikalischen Wege eben auseinander. Zu diesem Zeitpunkt spielte ich schon bei dem Vorläufer von Metal Inquisitor, einem Projekt mit dessen Besetzung dann auch das erste Metal Inquisitor-Album eingespielt wurde.

Joxe: Im Zeitraum zwischen “Ultima Ratio Regis” und “Panopticon” liegen fünf lange Jahre, ein weites Ausholen für das neue Album, oder war das eher ein Kraftschöpfen?

TP: Letztendlich nix neues für uns, oder? Eigentlich wollten wir es anders machen und dachten auch recht schnell, genügend Songs komponiert zu haben, aber das Ausarbeiten der Songs zusammen mit der Band und letztendlich auch die Studioarbeiten zogen sich länger hin als erwartet. Und eigentlich hätte das Album auch noch 2018 erscheinen sollen, dann wären wir ja weiter schön im Vierjahresrhythmus geblieben und keiner hätte sich beschwert, haha.

Joxe: Was ist denn für Euch das Panoptikum?

el Rojo: Im Englischen wird der Begriff mehrfach verwendet, während man auf Deutsch zwischen einem “Panoptikum” und einem “Panopticon” unterscheidet: Das Panoptikum lässt sich mit Kuriositäten-, Wachsfigurenkabinett übersetzen, während Panopticon der Begriff für ein sehr morbides, menschenverachtendes Gefängniskonzept ist. Letzteres stand Pate für die Idee, unsere Platte danach zu benennen. Vor allem, da der Song “Discipline And Punish” das Cover und den Plattentitel zum Thema hat.

Tino: Was macht deiner Meinung nach das Besondere an Panopticon aus?

TP: Ganz klar die Aufteilung des Songwritings. Es ist das erste Album, bei dem Blumi und ich zusammen mit Rob das Songwriting gemacht haben. Blumi wollte sich aus zeitlichen Gründen etwas zurückhalten, also musste ich mich dann auch intensiver einbringen. Es sind fünf Songs von Blumi, vier von mir auf der Scheibe. Rob hat dazu dann die Vocallines ausgearbeitet oder unsere Vorschläge überdacht, mal übernommen, mal umgekrempelt. Das ist eben auch ein Prozess, der nicht von heute auf morgen beendet ist, sondern bei uns auch etwas braucht. Ich frage mich allerdings schon mal des Öfteren, wie andere Bands das alles innerhalb eines Jahres zustande bekommen…

Joxe: Die ersten drei Tracks “Free Fire Zone”, “Change Of Front” und der vorab im Netz abrufbare Oberkiller “Beyond Nightmares” bauen sich nacheinander immer mehr auf. Das epischere “Re-Sworm The Oath” erscheint an Position sechs. Wer war für die Trackreihenfolge verantwortlich, habt ihr das selbst so eingestielt, oder hat bei solchen Sachen euer Label die Finger mit im Spiel?

el Rojo: Da haben wir absolut freie Hand! Wobei “freie Hand” auch mal bedeuten kann, dass sich fünf Herren wegen der Reihenfolge eine ganze Nacht um die Ohren schlagen können, bis so was steht … vor allem, da man auch immer berücksichtigen muss, dass wir auf Vinyl veröffentlichen. Und hier gibt es A und B Seite mit der gleichen maximalen Spielkapazität. Dieses Problem kennen junge Leute nicht mehr, genauso wenig, wie die Begrenztheit von Spuren im Studio. Schön, dass Euch die Reihenfolge gefällt – ich finde auch, dass sie am Ende echt gut geworden ist. War, wie gesagt, ein Ergebnis eines Entscheidungsprozesses und am Anfang stand die Debatte.

TP: Jeder von uns hatte diverse Ideen, aber wie Rob es schon sagte, mussten wir auch auf die Spielzeiten der Songs achten, was uns dann auch schon etwas limitiert hatte, zum Glück. Wichtig ist natürlich ein guter Opener und ein würdiger Abschlusstrack. Und etwas Spezielles zu Beginn der B-Seite auf Vinyl…und wie es nun eben geworden ist, finde ich schon cool, mal nicht den längsten Track am Ende zu haben, obwohl ich erst dafür war … aber man ist ja flexibel, oder?

Joxe: Gerade “Re-Sworn The Oath” rennt fast acht Minuten, hat einen packenden Part nach dem anderen und bleibt in einer Tour spannend. Einen Track dieser Bauart kennen wir in dieser Form von euch nicht, setzt aber fette Ausrufezeichen. Wie kam der Song zu Stande?

TP: Ja, “Re-Sworn…” ist in der Tat ungewöhnlich. Auf diesen Song wurden wir schon mehrmals angesprochen, und ich bin froh, dass er anscheinend gut ankommt. Es war schon ein Wagnis ein solches Stück zu komponieren. Ein Basisriff spukte mir schon die ganze Zeit im Kopf herum, und ich spielte es auch des Öfteren im Proberaum, und da ermutigten mich die Jungs auch immer, an dem Song weiterzuarbeiten. Also hatte ich mich an vermeintlich kreativen Nächten in meinem ähem, Spielzimmer eingeschlossen, Ideen aufgenommen, ausgearbeitet, mit zweiter Gitarre ergänzt und einen Drumcomputer programmiert. Es ist eben dann auch leichter, die anderen Bandmitglieder von einer Idee zu überzeugen, wenn man ein hörbares Zwischenresultat in der Hand hat. Wenn man nur mit Ideen im Proberaum ankommt, und dann lediglich ein Riff nach dem anderen spielt, ist es schwierig, sich vorzustellen, wie es am Ende zusammen mit allen Instrumenten klingen und wirken könnte. Dann hatte ich mich mit Rob getroffen, um ihm meine Gesangsvorstellungen, soweit sie denn vorhanden waren, zu präsentieren und probeweise aufzunehmen. Zuletzt ist das Intro entstanden, das im Studio noch etwas geändert wurde.

Joxe: Auf dem gesamten Album und im Besonderen in “Re-Sworn The Oath” höre ich deutlicher denn je eine Adrian Smith Gitarre raus. Wer von euch ist denn der größere Maiden-Fan, Blumi oder du?

TP: Hm, ich glaube, Blumi hat Maiden auf der letzten Tour gar nicht gesehen. Also denke ich, dass ich der größere Maiden-Fan bin, hahaha.

Tino: Wie läuft bei euch das Songwriting und wer macht was?

TP: Mittlerweile präsentieren Blumi und ich Songfragmente oder fast fertige Songs im Proberaum. Manchmal in einer aufgenommenen Demoversion, manchmal werden sie mit Gitarre vorgespielt. Blumi hat auch meistens schon sehr klare Vorstellungen von der Gesangslinie. Dann werden die Songs eingeprobt und eventuell neu arrangiert, ergänzt und geschliffen. Nicht falsch verstehen! Nicht glatt geschliffen und poliert, es sollen ruhig noch Ecken und Kanten vorhanden sein, sonst wird es ja langweilig und cheesy. Das mag keiner von uns. Aber ein Song muss eben schlüssig sein und rollen. Und bis es soweit ist, arbeiten wir eben daran, bis alle zufrieden sind.

Joxe: Ihr habt wieder auf ein Artwork von Dimitar Nikolov gebaut. War er auch jetzt die erste Adresse für euer Artwork?

el Rojo: JA! Denn mit Dimitar kann man hervorragend zusammen arbeiten! Er lässt sich durch unsere Vorschläge inspirieren, versucht sehr gewissenhaft unsere Ideen in das Artwork mit einzubauen und bringt gleichzeitig grandioses Know-How und Einfallsreichtum mit ein. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, dass man auch kontroverse Dinge offen besprechen kann, immer “open minded” bleibt und nicht versucht, auf Teufel komm raus seine Vorstellungen durchzudrücken. Eine ausgewogene Mischung von Inspiration von außen und der eigenen Kreativität zeugt beim Gestalten von Covern von höchster Professionalität. Genau das zeichnet Dimitar aus! Und das Ergebnis, das Cover, ist unserer Meinung nach dieses Mal ganz besonders geil geworden…

Tino: Erkläre doch bitte unseren Lesern das “Panopticon”-Cover genauer. Euer Sensenmann ist im Vergleich zu euren anderen Covern sehr modern ausgefallen. Was hat euch inspiriert? Mir kam sofort Star Wars und Marvel in den Kopf…

el Rojo: Ich mag sowohl Star Wars als auch Marvel sehr, hat aber weder mit dem Cover noch mit dem Titel zu tun. Die Idee kam mir, als ich vor einiger Zeit einen Artikel zur Geschichte des Strafvollzugs las und nicht glauben konnte, was nicht alles erfunden, gebaut und verwirklicht wurde, um die Gefangenen zu kontrollieren und zu überwachen. Ausgerechnet ein Philosoph (Jeremy Bentham) hat sich ein besonders perfides Gefängnis ausgedacht:  Die Zellen sind erleuchtet, die innere Gefängniswand transparent und der Wächter ist in der Mitte des Gebäudes –  im Dunkeln! Damit weiß der Gefangene, dass er prinzipiell immer beobachtet werden kann. Seinerseits weiß er aber nicht, wann genau das ist, denn er sieht seinen Überwacher ja nicht. Ich glaube, das ist noch viel schlimmer, als zu wissen, dass man permanent überwacht wird. Ist letzteres der Fall, macht sich irgendwann Fatalismus bemerkbar und man fällt in einen Geisteszustand gnadenvoller Apathie. Aber in einem Panopticon gibt es ja Phasen der “potentiellen Nicht-Überwachung”, sodass immer wieder Hoffnung aufkeimt, ein kleines, winziges Stück Privatsphäre – Freiheit – inmitten dieser Trostlosigkeit zu erlangen. Um dann aber mit der gleichen Regelmäßigkeit zu verzweifeln, da ja klar ist, dass der Wächter nicht schläft und immer alles sehen kann. Das ist Folter pur und zwar Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr….

Joxe: Auf dem letzten Album “Ultima Ratio Regis” habt ihr auf die Produktionskünste von Olof Wikstrand von Enforcer geschworen. Diesmal kam wieder ein würdiges Resultat dabei herum. Wer hat denn die Regler im Gates Of Dawn geschoben?

TP: Ich finde den Sound der “Ultima …” immer noch top. Olof hatte die Platte ja in Schweden gemixt und einen exzellenten Job abgeliefert. Dieses Mal wollten wir beim Mix aber wieder mit dabei sein und vertrauten die Produktion Jan Gensheimer an. Wir kennen ihn schon eine Weile und er hat uns live bisher bestens abgemischt. Er arbeitet auch als Livemixer von Asphyx, Desaster und Disbelief und weiß definitiv, was er macht.

Tino: Was habt ihr an Live Aktivitäten zum neuen Album geplant? Da ihr ja alle einem geregeltem Job nachgeht, bleibt es sicherlich bei Festival Auftritten oder?

TP: Also eine Tour steht in den kommenden Wochen diesmal leider nicht an. Man kann uns aber gerne für Festivals und Einzelgigs buchen. Wenn es dienstlich machbar ist, kommen wir gerne. Schließlich ist Livespielen das, was am meisten Spaß macht. Wir haben es letztes Jahr und vor allem das Jahr davor sehr vermisst, aber wir wollten uns auf die Platte konzentrieren und hatten unsere Liveaktivitäten dafür eingestellt. Hoffentlich können wir bald wieder Gas geben und mit euch feiern!

Tino: Da ich ja bekannt bin als Shirtfreak, würde mich abschließend interessieren, welches dein persönliches Lieblings Metal Shirt ist und warum?’

TP: Ja, Tino, das ist mir bekannt, wie war das noch mit dem Depressive Age-Shirt? Aber sorry, leider unverkäuflich, immer noch… . Ich finde schlichte, einfache Shirts am Besten. Logo drauf, schwarz, Ende. Daher haben wir auch solche Shirts wieder von uns am Start. Aber mein Lieblingsshirt ist das von Death Angel. Nur das weiße Logo vorne drauf.

Joxe: Welche fünf Platten würdest du mit in den Tourbus nehmen, wenn es morgen losginge?

TP: Da jetzt fünf Scheiben zu nennen ist auch nicht sooo einfach. Ich sage mal spontan SATAN – “Cruel Magic”, eine Scheibe von RAM, “Burn The World” von PORTRAIT, “Human Factor” von METAL CHURCH und unsere Neue zum Mitspielen und Űben, hahaha.

Joxe: Vielen Dank für das Interview, die letzten Worte sollen deine sein…!

TP: Na hoffentlich sind das nicht meine allerletzten Worte, denn wir haben noch einiges vor. Wir sehen uns, und immer schön Metal hören, wie mein Kumpel Marco immer sagt…

Autoren: Tino Sternagel-Petersen, Joxe Schaefer