PRIPJAT

Vom schwarzen Schleier und dem Berserker-Modus


Wer als Thrasher was auf sich hält, für den geht kein Weg an den Kölnern Pripjat vorbei. Die Energie eines Liveauftritts des Vierers stellte bei X-CRASH die Weichen für dieses Interview. Außerdem steht das zweite Album “Chain Reaction” grad in den Startlöchern, welches die Liveenergie einfangen sollte. Eugen und Kirill sind die Bandköpfe, die sich beide die Zeit genommen haben, für euch die Fragen zu beantworten. Taucht mal ab in ihre Welt, macht euch ein Bild und checkt die Livedates! Es gibt beim Abbangen nämlich viel mit Hand und Fuß zu entdecken.


Joxe: Hallo Eugen, hallo Kirill! Was macht ihr gerade, was beschäftigt euch zur Zeit?

Eugen: Aktuell sind wir fleißig an der Promo für unser neues Album „Chain Reaction“ unterwegs. Es gibt wahnsinnig viel zu tun. Verträge, Artwork, Layout, Booking, Werbung, Merch, Interviews und zig andere Baustellen. Wir machen ja alles selbst und gerade kann man sich echt nicht über Langeweile beschweren. Aber wir sind auch sehr glücklich über das jetzt schon große Interesse. Immerhin ist bisher nur ein Song veröffentlicht. Das ist alles sehr spannend.

Kirill: Mir geht es da wie Eugen. Generell haben wir alle an allen möglichen Baustellen zu tun. Es ist schön zu sehen, dass es voran geht und die Spannung steigt!

Joxe: Bitte stellt euch und die Band den Lesern von X-CRASH einmal vor, wer macht was bei Pripjat?

Kirill: Ich bin der Sänger und Gitarrist. Des Weiteren schreibe ich die Musik und produziere die Band und helfe dem Eugen beim Management, wo ich nur kann.

Eugen: Ich bin der Gitarrist. Darüber hinaus schreibe ich unsere Lyrics, bringe hin und wieder ein schönes Riff in den Proberaum und mache unser Management und Booking.

Joxe: Bei euch gab es bereits verschiedene Basser im Line-up. Wie seid ihr auf euren jetzigen Tieftöner Pablo gekommen?

Kirill: Eigentlich ein reiner Zufall. Ich habe ihn im Sommer vor drei Jahren kennengelernt. Ich lag an einem Seeufer bei uns in der Nähe und habe mit einer Gitarre das Wetter genossen. Da kamen drei Leute auf mich zu. Einer von ihnen stellte die Gruppe vor und erklärte, dass Pablo grade frisch aus Chile für ein Studium hergekommen sei und Leute zum Musizieren sucht. Wir blieben in Kontakt und ein Jahr später, als Michi sich entschieden hat auszusteigen, habe ich ihn angerufen.

Joxe: Wenn ich richtig informiert bin, stammt ihr aus der Ukraine. Ist damit auch schon ein Teil Eures Bandnamens erklärt?

Eugen: Ja. Wir kommen sogar beide aus Kiew, haben uns jedoch erst in Köln kennen gelernt. In den Anfangstagen der Band kam ich mit einer Liste an möglichen Bandnamen in den Proberaum. Mein Favorit war „Nuclear Chainsaw“, obwohl ich „Pripjat“ auch sehr mochte. Ich war mir aber nicht sicher, ob die das überhaupt kennen. Aber Bobo, unser Drummer, meinte sofort: „Boa geil, das machen wir!“ Nuclear Chainsaw existieren übrigens schon. Und sind natürlich ebenfalls eine Thrash-Band. War klar, oder?

Joxe: Im Thrash Metal sind Texte mit Nuklearen Thematiken nichts Fremdes. Ihr setzt mit eurem Bandnamen noch einen drauf. Warum habt ihr euch des geschichtsträchtigen Vorortes von Tschernobyl angenommen?

Eugen: Tschernobyl ist weniger als 100 Km Luftlinie von Kiew entfernt. Und Tschernobyl ist nach wie vor ein großes, wenn auch meist verschwiegenes Trauma. Ukraine und Weißrussland haben damals als Teile der Sowjetunion am meisten abbekommen. Fast jeder kennt jemanden, der entweder als Liquidator tätig war, umgesiedelt wurde oder durch Strahlung krank geworden ist. Daher ist das Ganze ein persönliches Ding für uns. Auch wir beide persönlich waren aus verschiedenen Gründen von dem AKW betroffen. Es ist ein dunkler Schleier, der nach wie vor über dem Land hängt. Wenn ihr das volle Ausmaß des Grauens verstehen wollt, empfehle ich das Buch „Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft.“ von Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch, die vor einigen Jahren den Literatur-Nobelpreis bekommen hat.

Joxe: Euer neues Album wird “Chain Reaction” heißen, ihr behandelt in euren Lyrics nicht nur nukleare Themen, sondern auch das Schicksal der Gegend. Wer schreibt bei Euch die Texte?

Eugen: Bei Chain Reaction habe ich alle Texte geschrieben. Und du hast recht – lediglich „Returnless“ setzt sich wieder mit diesem Thema auseinander. Dort geht es um die aus Pripjat Vertriebenen, die angelogen und umgesiedelt wurden. Teils in richtige Ghettos. Pripjat war nämlich eine sehr moderne Stadt für ihre Zeit. Danach kam das Elend. Viele, vor allem alte Menschen, kehrten illegal in die Zone zurück. Sie verstanden die Strahlung nicht, weinten vor Polizisten, die sie aus ihren Häusern vertrieben, ihre Haustiere exekutierten. Gerade 1986 gab es eine besonders reiche Ernte. Wie erklärt man einfachen Bauern, dass sie die Ernte nicht einholen dürfen, weil sie jetzt der Tod ist? Aber wie gesagt – ansonsten haben wir die Tschernobyl-Thematik weitestgehend hinter uns gelassen, wenn es um die Texte geht. Wir werden immer wieder damit flirten, keine Frage. Aber es wäre langweilig, sich darauf zu versteifen. Auf Chain Reaction gibt es Songs über religiöse Vergewaltigungen und Morde, den politischen Aufstand und das folgende Desaster in der Ukraine, das Gesetzt von Aktion und Reaktion, Selbstjustiz, Menschlichkeit, Empathie und vieles mehr.

Joxe: Wie läuft bei Euch das Songwriting ab, wie entsteht bei euch die Musik?

Kirill: Das ist recht unterschiedlich. Ich jamme viel mit unserem Drummer Bobo, den ich schon seit klein auf kenne. Da entstehen natürlich einige Ideen. Der Eugen bringt auch Riffs mit und ich schreibe daraus ganze Songs. Ich schreibe aber auch gerne alleine Zuhause. Dann lernen die Jungs die Songs und die Feinheiten erarbeiten wir dann zusammen.

Joxe: Gehört ihr zu den Bands, die sich ihr Material im Proberaum erspielen, oder die sich Soundfiles zusenden?

Eugen: Wir machen beides. Manche Songs entstehen aus einem Riff, den wir jammen. Andere kommen schon fast fertig als Guitar Pro Tab von Kirill. Allgemein sehen wir uns aber jede Woche und wenn wir im Songwriting sind, wird der Song immer erst im Proberaum richtig fertig, wenn alle ihn eingegroovt haben und wir dem Ding zusammen den Segen geben. Vielleicht produzieren wir deswegen keinen Überschuss. Es gibt keine Ideen, die wir verworfen haben.

Joxe: Kirill, du hast mit Drummer Yannik bei den Death Thrash Groovern von Hate Seven gespielt. Wieviel ist davon noch bei Pripjat zu hören?

Kirill: Ahahahaha unglaublich, dass sich noch wer daran erinnert. Wir hatten mit Hate Seven immer eine starke Neigung zum Thrash. Ich denke das ist das, was uns verbindet. Einige alte Riffs, die für H7 gedacht waren, landeten am Ende bei Pripjat (Destruction Manifesto vom “Sons Of Tschernobyl” z.B.) Tatsächlich hat sich aus Hate Seven unsere andere Band Ayahuasca entwickelt, wo Pablo, Bobo und ich weiterhin spielen. Das heißt, theoretisch existiert Hate Seven weiterhin parallel zu Pripjat weiter!

Joxe: Ihr habt die vier Songs eures Demos mit auf euer Debütalbum gepackt. Gibt es noch mehr Material aus euren Anfangstagen?

Eugen: Nein, wie schon gesagt – wir komponieren keinen Überschuss. Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist. Manchmal verbeißen wir uns in einen Song und es dauert drei bis vier Monate, bis wir ihn in die richtige Form gebracht haben. Bei „Brick By Brick“ war es beispielsweise so. Also sorry, kein kultig-limitiertes True-Gerumpel von uns

Krill: Ich habe einen Ordner auf meiner externen Festplatte mit sämtlichen Vorproduktionen aller Songs.

Joxe: In Kürze erscheint euer neues Album „Chain Reaction“. Habt ihr etwas anders gemacht als beim Vorgängeralbum?

Kirill: Nicht mit Absicht. Wir versuchen immer das Beste daraus zu machen was wir haben. Da ich mittlerweile ein erfahrenerer Techniker und Produzent bin, war es nur logisch, dass die Platte qualitativ hochwertiger klingen wird. Beim Songwriting war es auch ein fließender Übergang zwischen dem Hailen seiner Helden und einem eigenständigen Stil. Natürlich haben wir darüber geredet, aber jegliche Entwicklung die zu vernehmen ist, kam auf natürlichem Wege.

Joxe: Ihr habt bereits einige neue Songs live gespielt. Offensichtlich werdet ihr auch 2018 voll die Kante geben. Allerdings habt ihr mit “Returnless” auch eine Bremse drauf, welche das Album abschließt. Habt ihr euch beim Songwriting Vorgaben auf Geschwindigkeiten gemacht?

Eugen: Nein, überhaupt nicht. Unsere Songs kommen wie sie kommen. Als Kirill uns den halbfertigen Song vorspielte, waren wir sofort begeistert. Es tut auch echt gut auf der Bühne mal so einen Song im Set zu haben. Wir brauchen leider auch mal etwas Sauerstoff zwischendurch. Ansonsten geht es bei Pripjat ja nur nach vorne. Daher denke ich, dass es der Gesamtdynamik der Live-Konzerte gut tut. Live spielen wir einige Songs übrigens schon seit einer ganzen Weile. So können wir sie erproben, eventuell noch etwas vor der Aufnahme abändern. „Chain Reaction“ wird vermutlich eh schon gestohlen im Internet angeboten werden, bevor wir es selbst in den Händen haben. So war es bei “Sons Of Tschernobyl” schon. Daher sehen wir keinen großen Grund für Geheimniskrämerei.

Joxe: Kirill, du bist bei Euch für die Aufnahmen, den Mix und das Mastering zuständig. Wo hast du dir die Kenne dazu angeeignet?

Kirill: Ich wollte, dass es mit den Bands voran geht. Also habe ich mir, als Pripjat ganz am Anfang Aufnahmen gebraucht hat, die Basics angeeignet und unsere Demo aufgenommen. Danach wurde es für mich eine Sucht. Es ging so weit, dass ich dann angefangen habe, als Assistent in einem Tonstudio zu arbeiten. Dort wurde mir sehr viel beigebracht. Dort hatte ich auch die Möglichkeit mein Können zu entwickeln. Danach habe ich noch eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker gemacht. Ich fühle mich als Produzent und Engineer auch wirklich wohl und mache es von Herzen gerne, also investiere ich viel Zeit zu lernen und zu üben.

Joxe: Eugen, ihr gebt in euren Gigs ziemlich Vollgas und haltet ein enorm hohes Energielevel. Du legst dabei Barfuß einige Kilometer zurück. Fixt euch euer eigener Sound sofort an oder legt ihr ganz routiniert einen Schalter um?

Eugen: Vielen Dank. Ich denke, dass es eine Mischung aus beidem ist. Zuerst legt man einen Schalter um und legt von null auf 100 los. Das Publikum braucht meinst zwei Songs, um da mitzukommen. Aber ich werde auch sehr von uns selbst angefixt, klar. Ich bekomme vieles von dem was ich live mache nicht wirklich mit. Berserker-Modus. Aber bei manchen Passagen bekomme ich regelmäßig Gänsehaut. Das Routinierte hilft dagegen sehr, wenn man ein schwieriges Publikum hat, das wenig Feedback gibt. Ohne einen Energieaustausch ist ein Konzert immer schwer. Zum Glück sind wir mittlerweile professionell genug, um auch diese Shows problemlos durchrocken zu können. Wir lassen uns da nicht verunsichern.

Krill: Musik ist einfach in unserem Blut. Sobald es los geht, kocht es. Da kann man nicht viel gegen tun, will man auch nicht!

Joxe: Was passiert als nächstes bei Pripjat, Gigs, Tour, Festivals, Videodreh?

Eugen: Die Videos sind ja schon alle gedreht. Wir machen weiter mit der Promotion, spielen so viele Gigs wie wir können und versuchen für den Herbst eine mehrwöchige Tour auf die Beine zu stellen. Wenn ihr uns booken wollt – kommt gerne auf uns zu! Wir sind sehr pflegeleicht.

Kirill: Ich bin schon wieder dabei zu riffen und neue Ideen zu sammeln. Stillstand bedeutet Tod.

Joxe: Okay, Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!

Kirill: Vielen Dank für das Interview! Bis bald in eurer Nähe!

Eugen: Danke für die die schönen Fragen und das allgemeine Interesse. Ihr werdet uns noch ein Weilchen nicht los. This Chain Is Linked!

Autor: Joxe Schaefer