ROSE TATTOO

Zurück zu den Wurzeln


“NIce boys don’t play Rock ‘n’ Roll”. Angry Anderson, einer der wichtigsten Sänger im Rock ‘n’ Roll überhaupt, war mit seiner legendären Band, der Legende Rose Tattoo aus Australien, auf Europatour. Auch wenn er sich heute nicht mehr wie in den Anfangstagen den Kopf an der PA blutig bangt, so bringen Rose Tattoo immer noch eine mitreißende Show, die die meisten der alten Heroen locker in den Schatten stellt. Nach einer begeisternden Show in der Bochumer Zeche stand uns Angry Anderson trotz einiger Widrigkeiten letztendlich doch noch Rede und Antwort im Interview.


Wolfgang: Hi, Angry! Vielen Dank, dass du dich mir zum Interview zur Verfügung gestellt hast. Zurück in Europa, zurück in Deutschland. Bochum gleich zweimal komplett ausverkauft. Was ist das Besondere an Bochum?

Angry: Bochum verkörpert für mich alles, was an Tourneen Spaß macht. Großartige Fans, die uns unterstützen, und jedes Wort lauter als die Band singen.

Wolfgang: Welche besondere Bedeutung hat Deutschland für euch?

Angry: In den frühen Achtzigern, als wir anfingen, war zunächst England die Basis, von der heraus wir arbeiteten. Aber es wurde schnell klar, dass unser Markt Deutschland war. Also zogen wir von London nach Deutschland. Als wir später in den frühen Neunzigern auf Tour gingen, haben wir uns zuerst in Hamburg und dann später in Berlin niedergelassen, weil die Fangemeinde in Deutschland größer war als irgendwo sonst.

Wolfgang: In Deutschland kennt man dich zunächst natürlich als Sänger von Rose Tattoo und für deine Rolle im “Mad Max”-Film. Aber ich denke, vielen Leuten hier ist nicht bewusst, welchen Bekanntheitsgrad du in Australien hast. Du hast als Schauspieler und für das australische Fernsehen gearbeitet und dich in der Politik engagiert. Du hast sogar einen Orden von der Queen für deine soziale Arbeit erhalten. Was genau hast du für junge Menschen getan?

Angry: 1985 begann ich für ein tägliches Nachrichtenmagazin im Fernsehen zu arbeiten. Als Reporter wollte ich andere junge Leute wie mich repräsentieren. Menschen, die mit Drogen und Alkohol zu kämpfen hatten, weil sie als Kinder misshandelt wurden bzw. Opfer von häuslicher Gewalt waren. Ich selbst war, wie so viele Kinder, ein Opfer von Pädophilie. Und wendete mich ebenfalls Drogen und Alkohol zu. Merkwürdigerweise kam ich genau deshalb zum Fernsehen. Meine Arbeit bei der Midday Show war der Grund, warum ich in der Australia Day Honours List ausgezeichnet wurde.

Wolfgang: Das Album “Pain” wurde in Hamburg aufgenommen. Wie kam es dazu?

Angry: Zu der Zeit hatten wir keinen Plattenvertrag und kein australisches Label wollte uns haben. Wir bekamen dann über Rainer Hansell die Möglichkeit, in Hamburg aufzunehmen. Rainer war damals unser Manager und hatte uneingeschränkten Zugang zu dem Studio.

Wolfgang: “Pain” ist vielleicht sogar mein Lieblingsalbum von Rose Tattoo, denn es hat großartige Songs, wie ich finde. Was denkst du selbst darüber?

Angry: Eine sehr interessante Sammlung von Songs. Stark unterbewertet, glaube ich. Aber es blieb im Mainstream unbemerkt. Ich glaube, die Medien haben es nicht geschätzt. Es gab drei oder vier Songs, die absolut hitparadenverdächtig waren, wenn man sie mit den Sachen vergleicht, die normalerweise in die Charts kommen. Einige der Songs auf “Pain” sind sicherlich genauso gut. Im Großen und Ganzen muss man sagen, wenn es nicht für die “Gläubigen” wie dich wäre, hätte man “Pain” möglicherweise nie gesehen oder davon gehört.

Wolfgang: Wenn ich mich an die frühen Achtziger erinnere: zu der Zeit kam man in der Hard ‘n’ Heavy Szene nicht an Rose Tattoo vorbei. Aber ich denke, ihr seid natürlich nie eine Metal-Band im engeren Sinne gewesen. Für mich waren Rose Tattoo immer eine Rock ‘n’ Roll- und Bluesband, die ihre Musik in einer außergewöhnlich lauten, schnellen und dreckigen Art und Weise gespielt haben. Ich glaube, ihr habt damals die Metalszene beeinflusst, aber auch den Punkrock und die Oi-Szene. Wurdet ihr in den späten 70ern / Anfang der 80er umgekehrt ebenfalls von diesen Musikstilen beeinflusst? Oder habt ihr euren eigenen, speziellen Stil mit älteren Rock ‘n’ Roll-Einflüssen gespielt, ohne euch um diese Trends zu kümmern?

Angry: Wahrscheinlich stammt unser größter Einfluss aus der Zeit Anfang bis Mitte der 50er. Gene Vincent, Eddie Cochrane und Little Richard. Diese Sachen. Später in den 60ern dann Bands wie The Faces und zu einem Teil natürlich auch die Rolling Stones. Aber der rote Faden durch unsere Musik ist sicherlich der American Blues. Das ist wohl der stärkste Einfluss, denke ich. Wurden wir von den von dir genannten Sachen beeinflusst? Weiß nicht, vielleicht. Sicherlich nicht bewusst.

Wolfgang: Eine andere laute, sehr harte Band waren zum Beispiel Motörhead. Sie wurden auch als Metalband bezeichnet, aber Lemmy wollte das nie. Für ihn waren Motörhead eine Rock ‘n’ Roll Band. Kann man Motörhead und Rose Tattoo miteinander vergleichen?

Angry: Ja, beide Bands haben die gleiche Attitüde. Sie gingen beide ihren absolut eigenen Weg und drückten dem Ganzen ihren sehr eigenen Stempel auf. Lemmy war ein echter Rock ‘n’ Roll Outlaw.

Wolfgang: Kanntest du Lemmy schon vor der Zusammenarbeit zu “I’ve Got To Rock” persönlich?

Angry: Ja, wir lernten uns 1980 oder ’81 in London kennen.

Wolfgang: Wie war diese Zusammenarbeit damals für dich? Wie kam es dazu?

Angry: Thomas Jensen, unser Manager, managte damals auch Saxon und kümmerte sich um Lemmy und half ihm. Die anderen Jungs auf der Scheibe wollten mich dabei haben. Biff, der Sänger von Saxon, wollte mich auch. Wir waren zu viert, wenn ich mich richtig erinnere (Anm. d. Red.: der Song wurde auf dem Saxon-Album “The Inner Sanctum” veröffentlicht und als Single zusammen mit Lemmy, Andi Deris (Helloween) und eben Angry Anderson).

Wolfgang: Eine derzeit sehr angesagte australische Band sind Airbourne. Was hältst du von denen?

Angry: Typisch australische Pub-Band.  “Rough and mean and mighty unclean”. Die haben den Erfolg verdient. Bei Airbourne ist der australische Hardrock in guten Händen.

Wolfgang: Wie schwierig war es für dich, mit Rose Tattoo nach all den Schicksalsschlägen mit so vielen Freunden von dir weiterzumachen?

Angry: Mick war der letzte, der 2009 starb. Ich dachte damals, es wäre nun Zeit, Rose Tattoo in den Ruhestand zu schicken. Vor ein paar Jahren aber wurde mir klar, dass die Musik zu wichtig ist und die Band weitermachen sollte. Also stellte ich eine Band mit den meiner Meinung nach besten Musikern Australiens zusammen. So können wir das Beste zu den Leuten bringen, die uns live sehen wollen. Wie bei jeder großen Rockband ist es einfach der beste Weg, Rose Tattoo zu erleben, uns LIVE zu sehen.

Wolfgang: Die unvermeidliche Frage zum Schluss: Wann können wir das neue Album erwarten?

Angry: Wir arbeiten dran, aber wir haben derzeit noch keine Ahnung, wie das Endprodukt klingen wird. Ich persönlich denke, dass es anders klingen wird als jedes andere Rose Tattoo Album. Ich habe das starke Gefühl, dass wir mit dem neuen Album zu unseren Wurzeln zurückkehren werden.

Autor & Pics: Wolfgang Haupt